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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0023
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 13

Thomas mit dein Begriff des kraft- und tagend vollen und des
glücklichen Lebens. Nicht innerlich starkes, tugendhaftes Leben
eines in sich selbst ruhenden, sich selbst bestimmenden Weisen ist
Weg zu Gott oder gar Ziel in sich. Das Ziel ist die Anschauung-
Gottes, das Sichf.reuen an Gott, und dies ist nicht mit den natür-
lichen menschlichen Kräften zu erreichen. Könnte das Ziel aus
der Kraft der menschlichen Natur erreicht werden, dann wäre es
Amt und Sorge des Königs, zu ihm zu führen. Weil dazu aber die
Natur der Gnade bedarf, ist die Führung nicht Sache des Königs,
so folgert Thomas, des natürlichen Herrn, sondern höherer Leitung;
dazu ist Gottes Kraft nötig, die Leitung der Geister durch den,
der Gott ist und Mensch, durch unsern Herrn Jesus Christus. Inso-
fern die Christgläubigen Glieder Christi sind, insofern werden sie
selbst auch Könige und Priester genannt11. ,,Die Verwaltung (mini-
sterium) dieses Königtums aber ist, auf daß das Geistliche, das
religiös Geistige, vom Weltlichen, dem zeitlich Irdischen, getrennt
sei, nicht den weltlichen Königen, sondern den Priestern anver-
traut, vorzüglich dem Oberpriester, dem Nachfolger Petri, dem
Stellvertreter Christi, dem römischen Hohenpriester, dem alle
Könige des christlichen Volkes untergeben sein müssen wie dem
Herrn Jesus Christus selbst. In dieser Weise müssen nämlich
jenem, dem die Sorge für das höchste Ziel zukommt, die unter-
geben sein, denen die Sorge für die vorläufigeren Ziele obliegt; und
von jenes Herrschaft sollen sie geleitet werden12.“ Hier wird es
betont ausgesprochen: Die geistig religiöse Vollendung ist nichts
Staatliches, sondern das Kirchliche, ist Aufgabe der geistlichen
Leitung im europäischen Christenvolke. Darüber hinaus gilt für
die Kirche eine in ihrem höheren Zweck begründete sowohl objek-
tive wie beziehungshafte Höherordnung gegenüber dem Staate.
Hebt Thomas auch mehrfach Gott, Christus auf der einen
Seite ausdrücklich ab von allem übrigen, allen Menschen, allem
Evangelium selbst und Sakrament auf der anderen Seite, auch bei
ihm gewinnt man den Eindruck, daß die Kluft zwischen allem was
Welt, erdgebunden, was eingeschränkt, irgendwie mangelhaft ist,
und dem allein ganz Anderen, Freien, Unendlichen, von der Kosmos-
grenze in einigem Sinne zurückverschoben sei an die Scheide zwi-
schen 'Staat’ und 'Kirche’. Hier spürt man in der ganzen Zeit den
nicht rein im Sinne Augustins gedeuteten Einfluß augustinischer
Gedanken über Gottesstaat und Erdenstaat. Zwar, wenn man die
(sichtbare) Kirche als den Gottesstaat bezeichnete, stützte sich die
 
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