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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0032
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Elisa b e th B (> h k e n s tä d t :

Einheitserfüllung, in der am besten die Gottähnlichkeit der Men-
schen zur Ausgestaltung kommt. Die vielfältige und doch eine Ge-
samtheit geistigen Menschtums und die philosophisch-geistige Er-
zieher- und Führeraufgabe der Besten, letztlich des Besten, be-
dingen einander. Erschien Dantes renaissancehaft zuversichtliches
Vertrauen in die geistige Natur des Menschen seinem ihn kritisie-
renden Gegner Guido Vernani22 als irdische Eitelkeit, so nicht nur
darum, weil dieser noch tief in einer Weise mittelalterlicher Fröm-
migkeit wurzelte, die zwischen religiösem und natürlichem Leben
leicht einen Gegensatz sah, sondern vor allem auch deshalb, weil
Dante als Anhänger, als Apologet des Kaisers sprach. Wollte er
damit auch nicht etwa die für das religiös-kirchliche Gebiet ihm
unerschütterlich geltende erste Stellung des Papstes in der Welt
leugnen, so hatte doch solches Sicheinsetzen für einen in seiner
Weise alles beherrschenden weltlichen Herrn so gar nicht im Denken
des Aquinaten gelegen; es war ja vielmehr an geschichtlich alt-
römischer Erdenwirklichkeit orientiert. Und was Dante als das
Wesentliche des Imperialgedankens ansah: die anzuerstrebende
geistige Übereinstimmung — nicht etwa losgelöst von christlichem
Wollen — war von kirchlich mittelalterlicher Weltanschauung nicht
so als kaiserliche, als 'weltliche5 Angelegenheit gesehen worden. So
traf Dante durch Vernani der Vorwurf, den wahren Weltbeherr-
scher nicht gefunden zu haben: Christus, und in dessen allumfassen-
der Stellvertretung im Geistlichen wie im Weltlichen: den Papst.
Das 2. Buch geht in der Hauptsache mehr geschichtlich der
Rechtmäßigkeit der römischen Weltherrschaft nach. Im allgemei-
nen Wettkampf fiel der Preis der Weltregierung dem tüchtigsten
und gerechtesten Volke zu; und das Recht ist Ähnlichkeit mit
dem Willen Gottes; ihm dient, wer auf das Wohl des Staates
bedacht ist. Von den Römern, nicht etwa durch den Papst, ging
diese Herrschaft auf die Deutschen über. —- Das 3. Buch stellt
Reich und Kirche, weltliche und geistliche Gewalt in wesentlicher
Abweichung von der thomistischen Darstellung — zwar auch hier
nicht so sehr in grundsätzlich verschiedener Aussage als vor allem
in verschiedener Gewichtsverteilung und Konsequenz — als zwei
gänzlich und unbedingt auseinanderzuhaltende Bereiche dar, beide
unmittelbar Gott unterstehend. Gott allein erwählt und bestätigt
den Kaiser (während die Kurfürsten eigentlich die Verkünder der
göttlichen Vorsehung sind oder sein sollten), und seine Beziehung
zu Gott, dem Herrn der Welt, ist unmittelbar. Dieser Herr Gott,
 
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