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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0059
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 49

von den Menschen aufgenommen und erfüllt werden. Und so gilt
auch von der menschlichen Auffassungskraft her gesehen: Nicht
auf den Buchstaben, sondern auf den Geist kommt es an. Das
Verständnis nämlich, das die Ausübung begleitet, ist der belebende
Geist. Wenn einmal diese Deutung gelobt wird, einmal jene, wenn
eine Vorschrift nun diese, dann jene Weise der Ausübung erfährt,
so wird darin verwirklicht, was der größere oder der gesündere
Teil der Menschen in Wort und Werk billigt, in der Spendung
der Sakramente wechselte z. B. der Taufritus. Die Messeordnung
der westlichen Kirche — die jenen Aufbau übernahm, der sich
nach und nach unter den römischen Bischöfen herausgestaltet hat
- ist eine andere als die der östlichen Kirche. Auch die Eucharistie
ward zu verschiedenen Zeiten verschieden verwaltet und ausgeteilt.
Und diese Verschiedenheit entbehrt nicht geheimen Sinnes. So
wurde die Kommunion öfters und unter beiden Gestalten gespendet
und empfangen, da in der Kirche die Diebe zu Christus glühend war;
seltener und nur mit eingetunktem Brote, da sie nachließ; am
seltensten und nur unter einer Gestalt, da sie lau und matt, wie
in unserer Zeit. Und doch müssen wir bekennen, daß der jeweilige
Gebrauch, wie er recht angemessen ist dem Grade der Diebe in
der Kirche, so auch gemäß des herrschenden Lebensverlangens
und Liebeshungers genügend nährt. Ja, wir müssen zugeben, daß
allgemein die Änderungen von Verstehen und Ausübungen bibli-
scher Weisungen der Zeit angemessen sind, d. h. vom heiligen
Geiste zur Leitung der Kirche eingegeben und daher als Heilsweg
angenommen werden sollten. Der Glaube der Kirche in Hinsicht
auf das Heil der Seele wird nicht von einer Verschiedenheit der
Riten her getäuscht und irregeführt. Wie die Freiheit das Grund-
gesetz der Kirche überhaupt ist, so auch für die Verwaltung der
Sakramente und jede geistige Macht; und nur in dieser Freiheit
ist sie in Christus verwurzelt, von dem kein Zwang sich ableitet.
-— Aber nicht nur die Weise der Austeilung, die Spendung über-
haupt dieses oder jenes Sakramentes, z. B. der Eucharistie, ist den
Verwaltern überlassen. Bei einem Interdikt werden nur Taufe und
Bußsakrament gespendet. In der Exkommunikation wird der
Mensch gänzlich vom Sakramentenempfang ausgeschlossen; und
doch soll dies nicht zum Tode, sondern zum Heile gereichen. Denn
klar ist, daß der Gehorchende nicht der Gnade und des Lebens
beraubt wird etwa daher, weil er nicht zum Tische des Herrn hinzu-
tritt; vielmehr hat hier der Akt des Gehorchens die Lebensgnade
4 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 1938/3P. 8. Abh.
 
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