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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0076
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Elisabeth Bohnenstädt:

Stimmungen des allgemeinen Konzils, die Kirchen ge setze (cano-
nes) achten wolle. Denn dies ist der eigentliche Sinn, wozu und
worin ein Konzil besteht: daß in allgemeiner Versammlung der
Allgemeinheit ein alle umfassender, für alle geltender Beschluß ent-
stehe. Weil die Synode jeweils die Kirche vertritt, für welche die
Beschlüsse gelten sollen, werden in alten Büchern zu Recht nur
jene Beschlüsse Kirchengesetze genannt, die wirklich durch die
Synode erlassen worden waren. Dem Wortsinn nach besagt canon
Leit- und Aufbauregel, Richtschnur. Die Kirchengesetze des all-
gemeinen Konzils sind demnach Leit- und Aufbauregel für die ge-
samte Kirche. Sie haben ihre Wurzel im natürlichen Recht und
sind notwendig, wie alles, das die ganze Kirche binden soll, aus der
heiligen Schrift angeregt. Und wie Petrus im allgemeinen Nach-
folger lebt, so auch in den Kirchengesetzen. Man sagt nämlich,
daß die Väter selbst und die in ihnen vertretene allgemeine Kirche,
damit auch Petrus in der Kirche, in jenen Regeln der Heiligen
leben, solange sie der aufzubauenden Kirche Hilfe und Förderung
gewähren. Ihre Bestätigung empfangen die allgemeinen Kirchen-
gesetze durch Annahme und Gebrauch in der Gesamtkirche; und
da sie zu dauernder Geltung gegeben werden, können sie nicht ab-
geschafft, geändert oder in irgend etwas Gegensätzliches verkehrt
werden, solange lebendiger Gebrauch ihre Geltungskraft bestätigt.
Wie sie nicht ohne die allgemeine Synode erlassen, so können sie
auch nicht ohne diese aufgehoben werden. Selbst wenn der Papst
allein allgemeingültig beschließen und aufhebeu könnte, wie es aus
langer Gewöhnung eingeführt scheint, so hinge doch die Geltungs-
macht, damit auch ein Nicht-mehr-gelten, der Kirchengesetze nicht
von ihm allein, sondern von der allgemeinen Zustimmung ab. Gegen
diesen Schluß vermag keine andersartige Vorschrift oder Gewohn-
heit sich zn behaupten. Folgerichtig müssen die eigentlichen all-
gemeinen Kirchengesetze auch von allen beobachtet werden; sie
binden allgemein die ganze Kirche. Auch der römische Bischof ist
ihnen untergeordnet und an sie gebunden, sowohl durch seine eigene
Unterschrift wie auch dadurch, daß sie sich von der Ganzheits-
vertretung, der höheren Machtvollkommenheit herleiten. Auf Grund
der allgemeinen Kirchengesetze wird der Urteilsspruch des Papstes
geprüft. Seine Erlasse und Anordnungen (decretales) wie die aller
Teilsynoden erhalten je nach Entsprechung zu ihnen Bestätigung,
Korrektur oder Verwerfung und müssen in Zweifelsfällen ihnen
weichen50.
 
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