Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 83
ungerechten Gesetzes verpflichtet, aber auch keiner von einem
gerechten Gesetze ausgenommen, weil sonst der ganze Körper
Schaden litte. Es ist daher einsichtig, daß Reichsgesetze wie
Kirchengesetze über jedem beliebigen richtenden Richter stehen.
So wird der Lenker des Gemeinwesens durch die Wahl auch zum
Ordner des Gesetzes und Richter der Wählenden aufgestellt; sein
Amt aber fordert von ihm, sich nichts gegen die Gesetze herauszu-
nehmen. In ihm muß die Lehre des Gesetzes vielmehr gleichsam
wie das Herz inmitten des Körpers das ganze Staatsvolk beleben,
hat er doch selbst das lebendige Gesetz zu sein. Nach dem Gesetze
nämlich muß er seinen Herrschaftsbezirk lenken, ihm hat er sich
unterzuordnen. Das schließt zwar die besondere Zubilligung nicht
aus, nach der der Fürst in auftretenden Zweifelsfällen die Gesetze
auslegen und anwenden kann, wie es dem allgemeinen öffentlichen
Staatswohl und dem Streben nach Gerechtigkeit entspricht. Das
bedeutet aber nicht — wie es ähnlich auch für den Papst gilt ■—,
daß der König das Gesetz aufheben dürfe. Wo nicht die Gesetze
herrschen, da ist kein geordnetes Staatswesen. Und die Herrschaft
über das Staatsvolk besteht besser in den Gesetzen als auch im
besten einzelnen König. Wie sehr aber auch der Fürst nach den
Gesetzen herrschen soll, so ist er ja doch in seiner letzten und tiefst
reichenden Bestimmung Herr darin, worüber nach, festgelegten
Gesetzen nichts mit endgültiger Sicherheit ausgesagt werden kann;
um so mehr muß er vor allem weise sein. Wird aber außer und
wider Wollen der Untergeordneten Erstschaft und Fürstentum zu
Eigennutz mißbraucht, so ist dies gegen Maß und Recht des Für-
sten. Und fügt der Erste oder der Fürst durch Übertretung der
Gesetze dem Staat sehr schweren Schaden zu, muß er gemäß jener
bestraft werden. - Die Kraft des Gesetzes beruht in der Zwangs-
gewalt, die durch Zwangsmacht und Gewaltmittel behütet und
zur Anwendung gebracht wird. Sind diese Gewaltmittel beseitigt,
bleibt gesetzliche Maßgebung und in der Folge Friede und Gerech-
tigkeit nicht lange gewahrt. Da von Natur alle gleich frei sind,
ersteht auch alle Gewalt zu gleichmäßiger Zusammenfassung, jede
Exekutivgewalt eines Fürsten oder Gesetzes, erst aus der Wahl und
Billigung, durch schweigende oder ausdrückliche allgemeine Zu-
stimmung der Untergeordneten. Denn ganz allgemein gilt: obwohl
jede Gewalt, sei es zwingende, praktisch-wirtschaftliche, vorschrei-
bende, leitende oder ordnende, von oben stammt, erfordert sie doch
dazu, daß sie nach außen in Wirklichkeit und Wirkung hervor-
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ungerechten Gesetzes verpflichtet, aber auch keiner von einem
gerechten Gesetze ausgenommen, weil sonst der ganze Körper
Schaden litte. Es ist daher einsichtig, daß Reichsgesetze wie
Kirchengesetze über jedem beliebigen richtenden Richter stehen.
So wird der Lenker des Gemeinwesens durch die Wahl auch zum
Ordner des Gesetzes und Richter der Wählenden aufgestellt; sein
Amt aber fordert von ihm, sich nichts gegen die Gesetze herauszu-
nehmen. In ihm muß die Lehre des Gesetzes vielmehr gleichsam
wie das Herz inmitten des Körpers das ganze Staatsvolk beleben,
hat er doch selbst das lebendige Gesetz zu sein. Nach dem Gesetze
nämlich muß er seinen Herrschaftsbezirk lenken, ihm hat er sich
unterzuordnen. Das schließt zwar die besondere Zubilligung nicht
aus, nach der der Fürst in auftretenden Zweifelsfällen die Gesetze
auslegen und anwenden kann, wie es dem allgemeinen öffentlichen
Staatswohl und dem Streben nach Gerechtigkeit entspricht. Das
bedeutet aber nicht — wie es ähnlich auch für den Papst gilt ■—,
daß der König das Gesetz aufheben dürfe. Wo nicht die Gesetze
herrschen, da ist kein geordnetes Staatswesen. Und die Herrschaft
über das Staatsvolk besteht besser in den Gesetzen als auch im
besten einzelnen König. Wie sehr aber auch der Fürst nach den
Gesetzen herrschen soll, so ist er ja doch in seiner letzten und tiefst
reichenden Bestimmung Herr darin, worüber nach, festgelegten
Gesetzen nichts mit endgültiger Sicherheit ausgesagt werden kann;
um so mehr muß er vor allem weise sein. Wird aber außer und
wider Wollen der Untergeordneten Erstschaft und Fürstentum zu
Eigennutz mißbraucht, so ist dies gegen Maß und Recht des Für-
sten. Und fügt der Erste oder der Fürst durch Übertretung der
Gesetze dem Staat sehr schweren Schaden zu, muß er gemäß jener
bestraft werden. - Die Kraft des Gesetzes beruht in der Zwangs-
gewalt, die durch Zwangsmacht und Gewaltmittel behütet und
zur Anwendung gebracht wird. Sind diese Gewaltmittel beseitigt,
bleibt gesetzliche Maßgebung und in der Folge Friede und Gerech-
tigkeit nicht lange gewahrt. Da von Natur alle gleich frei sind,
ersteht auch alle Gewalt zu gleichmäßiger Zusammenfassung, jede
Exekutivgewalt eines Fürsten oder Gesetzes, erst aus der Wahl und
Billigung, durch schweigende oder ausdrückliche allgemeine Zu-
stimmung der Untergeordneten. Denn ganz allgemein gilt: obwohl
jede Gewalt, sei es zwingende, praktisch-wirtschaftliche, vorschrei-
bende, leitende oder ordnende, von oben stammt, erfordert sie doch
dazu, daß sie nach außen in Wirklichkeit und Wirkung hervor-
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