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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0031
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Paulus auf dem Areopag.

31

Menschen, wie schon gezeigt, hellenistisch1. So wird die Fremd-
heit der Areopagrede gegenüber der Bibelfrömmigkeit und ihre
Vertrautheit mit der Philosophie besonders ersichtlich bei dieser
Motivgruppe, von der nicht ein Satz sich im Rahmen dessen hält,
was wir sonst im Alten oder Neuen Testament gewohnt sind. Und
das würde auch dann im vollen Umfang zu Recht bestehen, wenn
die hypothetische Ableitung des Satzes ,,in ihm leben, weben und
sind wir“ irrig sein sollte. Denn die Gottverwandtschaft des Men-
schen wird von der Philosophie gerade in dem Zusammenhang ge-
lehrt, in dem der Gedanke in der Areopagrede auftritt: sie begründet
die richtigen Vorstellungen von den Göttern und sie macht von den
antiken Kultformen unabhängig. Für das erste mag noch einmal
Dio von Prusa, für das zweite Seneca zeugen2. Dios 12. Rede ist
schon zitiert (s. oben S. 25 bei A. 3); er läßt aber auch in der
30. Rede einen schlichten Mann vom Lande auftreten, der im Gegen-
satz zu pessimistischen Behauptungen über das Verhältnis von Gott
und Mensch die Liebe der Götter zu den Menschen als zu ihren
Verwandten betont und das Geschlecht der Menschen nicht von
Titanen und Giganten, sondern von den Göttern herleitet3. „Wir
sind ihres Geschlechts“, so könnte er gleich dem Arat und dem
Paulus der Areopagrede ausrufen.
Vor allem aber ist hier auf die zahlreichen Parallelen zu der
Areopagrede zu verweisen, die sich bei Seneca finden. Er hat
im 41. Brief diese Beziehung des Menschen in Gegensatz zum
Kultus gesetzt: „nicht brauchen wir die Hände zum Himmel zu
erheben noch den Tempelhüter zu bitten, daß er uns näher an das
Ohr des Götterbildes herantreten lasse, als ob wir so sicherer erhört
würden; nahe bei dir ist der Gott, mit dir ist er, ja in dir4.“ Hier
1 Die Anschauung ist offenhar älter als die Stoa; vgl. die Anspie-
lung Platos Timaeus 40 d πειστέον δέ τοΐς είρηκόσιν έμπροσ-9-εν, έκγόνοις
μέν θεών ούσιν, ώς έφασαν, σαφώς δέ που τούς γε αύτών προγόνους είδόσιν.
Ischodad von Merw schreibt in dem erwähnten Kommentar zu Act. 17 „und
auch Platon und andere sagen, daß die Seelen vom Geschlecht der Götter
sind“.
2 Hier wie bei einzelnen Nachweisen in Abschnitt I und II hat mich
Ernst Hoffmann mit seinem Rat wesentlich unterstützt.
3 Dio Prus. Or. XXX 26 II 301 V. Arnim ώς άγαθοί τε είεν (seil, ο! θ-εοί)
καί φιλοΐεν ήμας, άτε δή ξυγγενεΐς όντας αύτών. άπό γάρ τών Ό-εοιν, εφη, τό τών
άνθρώπων είναι γένος, ούκ άπό Τιτάνων ούδ’ άπό Γιγάντων.
4 Seneca Ep. 41χ (IV 12) non sunt acl caelum elevandae manus nec exo-
randus aedituus, ut nos ad aurem simulacri, quasi magis exaudiri possimus,
admitlat: prope est a te deus, tecum est, intus est. Später heißt es 412 in uno-
 
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