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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0279
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Anhang I.

279

Stilistisch wäre die Kanzel dem ausgehenden 14. oder beginnenden
15. Jahrhundert zuzuweisen. Vielleicht ist sie identisch mit der
Steinkanzel, die nach den Kirchenmeisterrechnungen 1430 errichtet
wurde; doch ist nicht bekannt, ob diese im Innern oder außen
aufgestellt war. Im Jahr 1416 wurde nach denselben Rechnungen
von einem Tischler eine Altane hergestellt, auf der ein Predigt-
stuhl und eine Fahne angebracht wurden; es bandelt sich wahr-
scheinlich um eine provisorische Lösung, die vielleicht als ein Vor-
läufer der steinernen Außenkanzel anzusehen ist und damit einen
terminus post quem ergäbe.
Die ursprüngliche Aufstellung der „Kapistrankanzel“ ist der
Hufnagelscben Ansicht von Wien aus dem Jahr 1609 zu ent-
nehmen. Hinter dem Nordchor vor dem Chorherrenhof sehen wir
zwischen den Grabhügeln einen becherförmigen Gegenstand an-
gedeutet, in dem wir wohl die Kanzel zu erkennen haben. Daß sie
„auf einem kleinen Hügel“ stand, wie Tietze annimmt, vermag
ich aus der Hufnagelschen Ansicht nicht abzulesen; was offenbar
Tietze für einen Hügel, auf dem die Kanzel gestanden haben soll,
hielt, ist ein Grabhügel vor der Kanzel. Dazu kommt noch als
weitere Quelle der große Stadtplan von W. A. Steinhausen aus
dem Jahr 1710. Der Stephansfriedhof ist hier genau eingetragen,
die Gräber sind graphisch mit einem Kreuzchen und einem läng-
lichen Farbfleck, der den Grabhügel andeutet, bezeichnet. Durch
breite Wege zerfällt der Friedhof in mehrere Felder. Der Teil des
Friedhofs hinter dem Domchor wird durch den Weg vom Chor-
herrenhaus zur sog. oberen Sakristei, die 1718 an Stelle des alten
Sagrer errichtet wurde, in zwei Hälften zerlegt. An der dem Chor-
herrenhof zugewandten Ecke des nordöstlichen Gräberfeldes sehen
wir ungefähr an gleicher Stelle wie auf der Hufnagelschen Ansicht
ein Zeichen, das sich von den Gräbern unterscheidet und in dem
wir die Kanzel vermuten können: Sie war danach unmittelbar
vom Chorherrenhof zugänglich und wahrscheinlich gegen Westen
gerichtet. Ursprünglich muß eine Stiege angebracht gewiesen sein,
die bei der Übertragung, wenn nicht schon früher beim Vermauern
entfernt wurde. Nach freundlicher Mitteilung der Direktion der
Städtischen Sammlungen in Wien sind andere Darstellungen der
Kanzel vor ihrer Umsetzung nicht bekannt.

D. Frey.
 
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