Gahmuret, Quellenstudien zu Wolframs Parzival
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Licht zu rücken, den Hörer von seinen Taten, seiner Größe aus-
führlich zu unterhalten.
Neben ihn tritt aus dieser Vorgeschichte eine andere Gestalt,
die für Wolframs Weitsicht keine geringere Rolle spielt: Feirefiz,
Gahmurets Sohn aus der Ehe mit der Heidin. Feirefiz, Sohn des
Abend- und Morgenlandes: dies scheint mir der tiefere Sinn der
symbolischen Gestalt. Die Kreuzzüge hatten das Tor zum Morgen-
lande weit aufgerissen. Unerwartet trat dem Abendland, das aus-
gezogen war die Heiden zu vertilgen, die die heiligen Urstätten des
Christentums besetzt hielten, an den verachteten Gegnern eine
Kultur entgegen, die in zunehmendem Maße mit Staunen und
Bewunderung erfüllte. Es war oben schon davon die Rede, mit
welch leidenschaftlichem Anteil Wolfram die Kunde von der neu-
entdeckten Welt aufgenommen hat. Wie tief ihr Zauber ihn ge-
troffen, wie ungerührt von jedem Vorurteil er sie ergriffen hat,
beweist sein Werk an vielen Einzelstellen, beweist der Gesamt-
aufbau des Parzival gerade in seinen selbständigen, von Wolfram
an- und eingefügten Teilstücken und so auch unsere Vorgeschichte.
Wenn H. Prutz in seiner Kulturgeschichte der Kreuzzüge sich
herauszuarbeiten bemüht hat, daß die islamische Kultur, wie die
Kreuzfahrer in Syrien sie trafen, der abendländischen im ganzen
eher überlegen gewesen ist, so tat Wolfram mit seinen Mitteln
in dichterischen Bildern das gleiche dar. „Orient und Okzident
sind nicht mehr zu trennen“: der Gedanke erfüllte auch ihn. Er
gab ihm die Doppelehe Gahmurets ein mit der Heidin und der
Christin, ließ ihn daraus die beiden ebenbürtigen Söhne erwecken
und hieß sie in dem Zweikampfe sich messen, der dem Gedanken
seinen höchsten symbolischen Ausdruck verleiht. Nicht umsonst
wird gerade in diesem Abschnitt Feirefiz immer wieder der unge-
toufte genannt.
Der religiöse Zank der Zeit versinkt vor solcher Schau ins
Wesenlose. Als der tapferste Ritter und herrlich unbefangene
Mensch tritt Feirefiz Parzival zur Seite. Beide werden zu höchstem
Führertum in den zwei Hemisphären der mittelalterlichen Welt
berufen. Hier ragt — sehr deutsch gesehen — aus tiefer Wald-
einsamkeit die Gralburg, deren Krone Parzival tragen wird, in die
reine, gottnahe Höhe empor, dort wird der Sohn des Feirefiz als
Priesterkönig in heimischen Formen hohen Amtes walten. Und
jeder mittelalterliche Leser des Parzival wußte: dieser Priester-
könig wird dem Abendlande in einem feierlichen Briefe von den
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Licht zu rücken, den Hörer von seinen Taten, seiner Größe aus-
führlich zu unterhalten.
Neben ihn tritt aus dieser Vorgeschichte eine andere Gestalt,
die für Wolframs Weitsicht keine geringere Rolle spielt: Feirefiz,
Gahmurets Sohn aus der Ehe mit der Heidin. Feirefiz, Sohn des
Abend- und Morgenlandes: dies scheint mir der tiefere Sinn der
symbolischen Gestalt. Die Kreuzzüge hatten das Tor zum Morgen-
lande weit aufgerissen. Unerwartet trat dem Abendland, das aus-
gezogen war die Heiden zu vertilgen, die die heiligen Urstätten des
Christentums besetzt hielten, an den verachteten Gegnern eine
Kultur entgegen, die in zunehmendem Maße mit Staunen und
Bewunderung erfüllte. Es war oben schon davon die Rede, mit
welch leidenschaftlichem Anteil Wolfram die Kunde von der neu-
entdeckten Welt aufgenommen hat. Wie tief ihr Zauber ihn ge-
troffen, wie ungerührt von jedem Vorurteil er sie ergriffen hat,
beweist sein Werk an vielen Einzelstellen, beweist der Gesamt-
aufbau des Parzival gerade in seinen selbständigen, von Wolfram
an- und eingefügten Teilstücken und so auch unsere Vorgeschichte.
Wenn H. Prutz in seiner Kulturgeschichte der Kreuzzüge sich
herauszuarbeiten bemüht hat, daß die islamische Kultur, wie die
Kreuzfahrer in Syrien sie trafen, der abendländischen im ganzen
eher überlegen gewesen ist, so tat Wolfram mit seinen Mitteln
in dichterischen Bildern das gleiche dar. „Orient und Okzident
sind nicht mehr zu trennen“: der Gedanke erfüllte auch ihn. Er
gab ihm die Doppelehe Gahmurets ein mit der Heidin und der
Christin, ließ ihn daraus die beiden ebenbürtigen Söhne erwecken
und hieß sie in dem Zweikampfe sich messen, der dem Gedanken
seinen höchsten symbolischen Ausdruck verleiht. Nicht umsonst
wird gerade in diesem Abschnitt Feirefiz immer wieder der unge-
toufte genannt.
Der religiöse Zank der Zeit versinkt vor solcher Schau ins
Wesenlose. Als der tapferste Ritter und herrlich unbefangene
Mensch tritt Feirefiz Parzival zur Seite. Beide werden zu höchstem
Führertum in den zwei Hemisphären der mittelalterlichen Welt
berufen. Hier ragt — sehr deutsch gesehen — aus tiefer Wald-
einsamkeit die Gralburg, deren Krone Parzival tragen wird, in die
reine, gottnahe Höhe empor, dort wird der Sohn des Feirefiz als
Priesterkönig in heimischen Formen hohen Amtes walten. Und
jeder mittelalterliche Leser des Parzival wußte: dieser Priester-
könig wird dem Abendlande in einem feierlichen Briefe von den