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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 3. Abhandlung): Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42019#0003
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I

In seiner Jüdischen Archäologie Buch XV-—XX bietet Jose-
phus für die Zeit von Herodes bis zum vespasianischen Kriege eine
fortlaufende Reihe der jüdischen Hohenpriester, über deren je-
weilige Ein- und Absetzung im Rahmen der geschichtlichen Er-
zählung berichtet und über die am Schluß des Werkes in XX 224
bis 251 ein zusammenfassender Überblick gegeben wird. Ein Urteil
über die Herkunft dieser Namenliste und ihren historischen Wert
kann nur im Zusammenhang einer Quellenanalyse der Archäologie
gegeben werden1.
Während Josephus im Polemos (I 31 — II 116) für die Zeit
des Herodes und Archelaos ausschließlich und getreu dem Niko-
laos von Damaskus folgt, beruht seine Darstellung in der Archä-
ologie auf einer Arbeit von jüdischer Hand, die schon vor ihm
den größten Teil des historischen Quellenmaterials zusammen-
getragen hatte. Ihr Autor war ein aristokratischer Priester, begei-
stert für das Hasmonäerhaus, eingenommen für die Vornehmen
und gegen die Plebs, voll Haß gegen den Emporkömmling Herodes
und deshalb herzlich abgeneigt dem Lobredner des Königs Niko-
laos, den er in diesem Punkte konsequent korrigiert und kritisiert.
Nähere Auskunft über seine Persönlichkeit gibt die Stelle XVI 186
bis 187, deren Verständnis wir W. Otto verdanken2. Derjenige,
der hier spricht, ist nicht Josephus, sondern dessen Quelle. Wir
erfahren, daß der Verfasser mit dem Hasmonäerhause nahe ver-
wandt ist, daß er viele und zwar noch als Könige regierende Hero-
deer achtet, sich aber den Zorn dieser Herrscher durch seine frei-
mütige Beurteilung des Herodes zugezogen hat. Da „von vielen
noch als Könige regierenden“ Herodeern im Jahre 93/94, dem Ab-
fassungsjahre der Archäologie, nicht mehr die Rede sein kann ·—
im Laufe von hundert Jahren waren die Nachkommen des Herodes
bis auf wenige gestorben —, sondern nur unter Claudius, Nero,
Vespasian oder Titus, so ist damit erwiesen, daß Josephus hier
eine Vorlage ausschreibt, die spätestens unter Titus verfaßt sein
1 Vgl. meine Analyse in Paulys Real-Encyklopädie Art. „Josephus“.
2 Vgl. W. Otto, ebd. Art. „Herodes I.“, Sp. 11 f.
1*
 
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