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Gustav Hölscher:
vor Kaiaphas das offizielle, so würde es nicht nur angedeutet.
Auch der Vorlage des Johannesevangeliums gehörte also die Figur
des Kaiaphas nicht an; 11, 49—52 ebenso wie 18, 13—14 (von
πρώτον ab), 18, 24 und 18, 28 (die Worte άπό του Καϊάφα) sind in-
terpoliert1.
Wie man sieht, ist die urchristliche Überlieferung in bezug auf
den Namen des zur Zeit Jesu amtierenden Hohenpriesters unsicher:
die älteste Überlieferung bei Markus nennt gar keinen Namen;
Lukas (im Evangelium und in der Apostelgeschichte) und die Vor-
lage des Johannesevangeliums nennen den Annas, Matthäus den
Kaiaphas. Die letztere Annahme ist dann die herrschende gewor-
den, wie die Interpolationen im Werke des Lukas und der vor-
liegende Text des Johannesevangeliums zeigen.
V.
Pontius Pilatus, auf dessen Befehl Jesus gekreuzigt worden
ist, wurde nach zehnjähriger Amtsführung auf Veranlassung des
Vitellius abberufen und zur Verantwortung gegen die Beschuldi-
gungen der Juden nach Rom geschickt (XVIII 89). Er traf dort
erst nach dem Tode des Tiberius, d. h. nach dem 16. März 37 ein.
Da die Fahrt von Palästina nach Rom im Altertum je nach dem
Wetter ein bis drei Monate dauerte2, muß die Abberufung An-
fang 37 oder frühestens Ende 36 erfolgt sein3. Der Vorgänger des
Pilatus, Valerius Gratus, war elf Jahre im Amte (XVIII 35). Seine
Ernennung geschah durch Tiberius. Setzt man die Fahrt des
Beamten vermutungsweise in die für die Seefahrt günstigste Zeit
des Sommers oder Herbstes, so war Valerius Gratus etwa von
1 Ebenso urteilt Bultmann, der die betreffenden Verse als Interpola-
tionen in die Quelle des Evangelisten betrachtet (brieflich); ähnlich Ed.
Meyer, I 1921, 197—199: das Johannesevangelium habe mit dem synopti-
schen Berichte einen anderen verbunden, in dem Annas der regierende Hohe-
priester war; auch Alfred Loisy (La naissance du Christianisme, 1933, 106):
Aucun detail n’est donne sur la comparution devant Ca'iphe, qui n’a d’autre
raison d’etre que l’accomodation ä Matthieu.
2 Vgl. Joachim Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, 1937, II B, S. 56.
3 Vgl. W. Otto, a.a.O., Sp. 193ff. Anm. und schon v. Dobschütz,
Herzog-Hauck, Realencyklopädie XV, 398. Anders die meisten, z. B.
Schürer, I 487 Anm. 141, der die Abberufung des Pilatus kurz vor Ostern 36
ansetzt. Aber daß sich Pilatus für seine Reise nach Rom etwa ein Jahr Zeit
gelassen habe (Schürer, I 492, Anm. 151), ist wenig wahrscheinlich, zumal
er als Angeklagter zur Verantwortung nach Rom geschickt wurde.
Gustav Hölscher:
vor Kaiaphas das offizielle, so würde es nicht nur angedeutet.
Auch der Vorlage des Johannesevangeliums gehörte also die Figur
des Kaiaphas nicht an; 11, 49—52 ebenso wie 18, 13—14 (von
πρώτον ab), 18, 24 und 18, 28 (die Worte άπό του Καϊάφα) sind in-
terpoliert1.
Wie man sieht, ist die urchristliche Überlieferung in bezug auf
den Namen des zur Zeit Jesu amtierenden Hohenpriesters unsicher:
die älteste Überlieferung bei Markus nennt gar keinen Namen;
Lukas (im Evangelium und in der Apostelgeschichte) und die Vor-
lage des Johannesevangeliums nennen den Annas, Matthäus den
Kaiaphas. Die letztere Annahme ist dann die herrschende gewor-
den, wie die Interpolationen im Werke des Lukas und der vor-
liegende Text des Johannesevangeliums zeigen.
V.
Pontius Pilatus, auf dessen Befehl Jesus gekreuzigt worden
ist, wurde nach zehnjähriger Amtsführung auf Veranlassung des
Vitellius abberufen und zur Verantwortung gegen die Beschuldi-
gungen der Juden nach Rom geschickt (XVIII 89). Er traf dort
erst nach dem Tode des Tiberius, d. h. nach dem 16. März 37 ein.
Da die Fahrt von Palästina nach Rom im Altertum je nach dem
Wetter ein bis drei Monate dauerte2, muß die Abberufung An-
fang 37 oder frühestens Ende 36 erfolgt sein3. Der Vorgänger des
Pilatus, Valerius Gratus, war elf Jahre im Amte (XVIII 35). Seine
Ernennung geschah durch Tiberius. Setzt man die Fahrt des
Beamten vermutungsweise in die für die Seefahrt günstigste Zeit
des Sommers oder Herbstes, so war Valerius Gratus etwa von
1 Ebenso urteilt Bultmann, der die betreffenden Verse als Interpola-
tionen in die Quelle des Evangelisten betrachtet (brieflich); ähnlich Ed.
Meyer, I 1921, 197—199: das Johannesevangelium habe mit dem synopti-
schen Berichte einen anderen verbunden, in dem Annas der regierende Hohe-
priester war; auch Alfred Loisy (La naissance du Christianisme, 1933, 106):
Aucun detail n’est donne sur la comparution devant Ca'iphe, qui n’a d’autre
raison d’etre que l’accomodation ä Matthieu.
2 Vgl. Joachim Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, 1937, II B, S. 56.
3 Vgl. W. Otto, a.a.O., Sp. 193ff. Anm. und schon v. Dobschütz,
Herzog-Hauck, Realencyklopädie XV, 398. Anders die meisten, z. B.
Schürer, I 487 Anm. 141, der die Abberufung des Pilatus kurz vor Ostern 36
ansetzt. Aber daß sich Pilatus für seine Reise nach Rom etwa ein Jahr Zeit
gelassen habe (Schürer, I 492, Anm. 151), ist wenig wahrscheinlich, zumal
er als Angeklagter zur Verantwortung nach Rom geschickt wurde.