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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 3. Abhandlung): Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42019#0029
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Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie. 29

Die Juden, deren Meinung der Bericht wiedergibt, sind natür-
lich die Johannes jünger. Der Bericht setzt Bekanntschaft mit ihrer
Gemeinschaft voraus, die also zur Zeit des Verfassers, d. h. wahr-
scheinlich des jüdischen Anonymus, noch existierte. Er sympathi-
siert offensichtlich mit der allgemeinen Haltung der Täufersekte,
wie er auch für die verwandte baptistische Gemeinschaft der Essäer
Sympathie zeigt. Dieser Sympathie entspricht seine Antipathie
gegen die Zeloten und gegen alle die Massen aufregenden Propheten
jener Zeit, deren gefährliches Treiben er scharf verurteilt (vgl.
z. B. ant. XVIII 4—10). Daß auch die Verkündigung des Täufers
einmal in ähnlicher Weise die Massen aufgeregt hatte, klingt in
seinem Berichte nach, aber er unterstreicht ausdrücklich den fried-
lichen Charakter, den die Verkündigung des Johannes gehabt habe
und der die Täufergemeinschaft nach dem Tode ihres Meisters in
der Tat kennzeichnete. Er wendet sich in merkwürdig betonter
Weise gegen ein Mißverständnis der johanneischen Taufe. Er hebt
anerkennend hervor, daß die Taufe des Johannes nicht eine Taufe
der Sündenvergebung gewesen sei, sondern nur zur rituellen Hei-
ligung des Leibes dienen sollte. Die ,,'Taufe der Buße“, wie sie die
evangelische Überlieferung von Johannes bezeugt, wird im Sinne
des Täufers eine Beziehung zu dem bevorstehenden Anbruch des
Gottesreiches gehabt haben1. Das Wasserbad auf göttlichen Befehl
konnte von ihm verstanden werden als Erfüllung der Prophetie
Hes. 36, 25; 37, 23, nach welcher Gott am Ende des gegenwärtigen
Zeitalters die Israeliten von ihrer Abgötterei und allen Übeltaten
reinigen wollte2. Die Taufe der Sündenvergebung war darnach ein
Akt der Vorbereitung auf das kommende Gottesreich, ein Mittel,
dem Gerichte zu entgehen. Demgegenüber vertritt der Verfasser
unseres Berichtes die Auffassung, daß die Taufe des Johannes
nichts anderes bedeuten sollte, als alle die rituellen Waschungen,
die das Gesetz bei bestimmten Verunreinigungen vorschrieb. Das
ist die orthodoxe rabbinische Anschauung, in die hier die Ansicht
des Johannes rational umgebogen wird: die Vergebung der Sünden,
die Peinigung der Seele geschieht, wenn man Gott bußfertig um
Verzeihung bittet und Gerechtigkeit und Frömmigkeit übt; die
Taufe ist nur eine rituelle Waschung zur „Heiligung des Leibes“.
1 Nach b. Sanli. 97b hängt das Kommen des Endes nicht an einem
bestimmten Termin," sondern an der Buße Israels, und Simon ben Jochai
erklärt: wollte Israel nur zwei Sabbate vorschriftsmäßig halten, so käme seine
Erlösung sofort.
2 Vgl. dazu Wilhelm Brandt, Die jüdischen Baptismen, 1910, 70—85.
 
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