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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0059
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56

Eberhard Freiherr von Künssberg:

In den Gesta Romanorum1, einer Schwanksammlung, die etwa
1300 zustande kam, ist die schöne Erzählung von den drei faulen
Königssöhnen:
Polemius regnavit, qui tres filios legitur habuisse, quos multum
dilexit. Unde per se cogitavit disponere de regno suo, vocavit
tres filios suos et ait: Quis vestrum est pigerior, ille regnum
post meum decessum habebit. Tune ait primus filius: Pater,
michi ergo debetur regnum vestrum, quia adea piger sum, quod
ad ignem sedeo tt prius crura permitto comburi, quam inde me
retraherem. Secundus filius ait: Pater, michi debetur regnum
vestrum, qui si circa collum meum funem höherem et mox sus-
pendi deberem et gladium in manu mea teuerem, propter magnam
pigriciam meam ad scindendam funem manum nieam non exten-
derem. Tercius filius dixit: Pater, ego regnare debeo, quia in
pigriciis precedo; dum superius in lecto faceo et gutte aque
propter magnam pigriciam super caput et super utrumque
oculum cadunt, me movere nescio ad dextram vel sinistram, nec
volo. Rex cum hoc audisset, ei regnum legavit, reputans eum
pigriciorem.
Dieses antike Märchen ist im Abendlande fleißig erzählt, über-
setzt und immer wieder nachgedichtet worden. In einer deutschen
Fassung der Gesta Romanorum2 lautet der Teil, der vom Gälgen-
strick redet, so:
Do sprach der ander so pin ich naechender pei dem reich. Wann
ob ich hiet eynen strik an dem hals und scholl man mich yetzund
henken. Vnd waern mir die hencl ledig Vnd vngepvnden vnd hiet
in eyner hant ein scharpfes messer. Von meiner grozzen traege-
hait wegen hub ich nymmer mein hand auf vnd snit den strik
ab dem hals vnd ledigt mich.
Johannes Pauli nahm selbstverständlich den Schwank in
seine Sammlung Schimpff und Ernst auf, wobei der dritte der
Rrüder diesen Grad der Faulheit zeigt. Es fehlt auch nicht die
moralische Nutzanwendung, die für Pauli so charakteristisch ist3:
,,wan ich ein strick an dem hals het und man wolt mich hencken
und ich het ein messer in der hand den strick abzuschneiden, so
1 Gesta Romanorum, hrsg. Oesterley 1872, S. 418; ebd. S. 726 die
Parallelstellen.
2 Gesta Romanorum, hrsg. Keller, 1841, S. 7.
3 Johannes Pauli, Schimpff und Ernst, hrsg. Bolte, 1924, Nr. 261.
Lit. II 322. Dietlinde v. Künssberg, Das Recht in Paulis Schwanksamm-
lung, 1939.
 
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