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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0065
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Eberhard Freiherr von Künssberg

Das Schindmesser konnte noch in anderer, sehr drastischer
Weise Unehre darstellen. Als ein Zunftmeister in Augsburg Gelder
unterschlug, wurde er 1595 in folgender Art unredlich gemacht1,
und das galt noch als Gnade:
ward im aus gnaden unter dem erker des rathauses auf dem stule
sizend das schindermesser vom henker unters kinn gesetzt und ist
so unredlich gemacht worden.
In die Gruppe dieser Bräuche gehört wohl auch die Nachricht,
daß die Femgerichtsschöffen, wenn sie jemand gerichtet hatten, ein
Messer dazu in den Baum stießen2. Freilich war es kein Henker-
messer, doch sollte die Unehrlichkeit des Gerichteten damit be-
zeugt werden und außerdem dadurch davor gewarnt werden, einen
Rettungsversuch zu machen.
Bei entehrenden Zeremonien der Degradation konnte das Mes-
ser zur Unehre herangezogen werden. Wenn nach dem Landrecht
von Navarra ein Ritter seiner Würde entkleidet Wird, so schneidet
ihm der Landesherr mit einem Messer das Schwertgehänge durch3.
Bei der kirchlichen Degradation wird das heilige Ol von den bei
der Weihe gesalbten Stellen der Hand mit einem Messer oder Glas-
scherben entfernt4. Der Kopf wird abgekratzt und geschoren, da-
mit die Tonsur beseitigt wird:
radatur caput illius seu tondeatur, ne tonsurae seu clericatus
vestigium remaneant in eoclem5.
In gleicher Weise wird vorgegangen, wenn sich ein Insasse eines
Aussätzigenspitals unwürdig benommen hat, so daß er ausgeschlos-
sen werden muß6.
1 Schwäbisches Wörterbuch IV, 386.
2 Grimm, Rechtsaltertümer4 I, 235.
3 Hrsg. Wohlhaupter in: Germanenrechte 12 (1936), 1041'.
4 Pontii'icale Romanum III 111; Meissner, Zur Geschichte der Degra-
dation / Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 18 (1924),
502.
5 Bonifaz VIII. 1298 / c. 2 de poenis in VI0 5, 9.
6 Pettigrew, On Leper Hospitals or Houses / Archeological Journal 11
(1885), 103.
 
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