Metadaten

Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0069
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
66

Eberhard Freiherr von Künssberg:

3. Der Hieb mit dem Messer begegnet uns in niederländischen
Rechtsquellen als eine Kraftprobe für den alten Bauern, der noch
testieren will. Das Hofrecht von Twente* 1 vom Jahre 1546 enthält
folgende Bestimmung:
als eyn krank hofhorych man van synen gude nae hovesrecht wat
hengeven wyl synen kynderen ojte denstvolke, soe sal de kranke
hojhoryge man al soe starck syn, dat he hemselves kleden kan
als he up eyn hoechtydesdach toe kerken gaet, ende nennen eyn
mes ojte byle yn syn hant ende gaen uth syn huys ende houen
yn eyn boem ojte post dre mael yn bywesen syns hojmeyers met
twee huesgenoten.
Noch zweihundert Jahre später (1754) wird berichtet, wie ein
neunzigjähriger Bauer diese Probe ablegte2:
heejt een bijle genomen en daermede driemael in de strypel ge-
houwen, alzoo sijn hojregt verwaerd en bij testament gemaekt aan
sijnen heere de summa van 15 gülden.
4. Das blutige Messer kann verschiedene Bedeutungen haben.
Einmal ist es das Werkzeug des Scharfrichters3. Ein andermal aber
dient es als Hinweis auf blutige Gewalttat, indem es unter den
Drohzeichen der Brandstifter vorkommt. Die Rügung des Land-
gerichts Krumau am Kamp enthält in der Fassung von 1499 fol-
gende Stelle4:
wenn man ainem an sein haus oder dopei anhieng prantpesem,
plutigew messer oder ander drolich warzaichn . . .
verständlich. Manche Sagenmotive machen dies besonders deutlich. Eine
Schweizer Sage erzählt: Ein Zwerg brachte einem Bauer ein Stück Kuchen
zum Pflug. Da es zu groß war, schnitt sich der Bauer ein Stück davon ab
mit dem silbernen Messer des Zwerges. Um es nicht zurückgeben zu müssen,
wischte er es nicht ab, sondern steckte es in einen Kuhfladen. Da rührte es
der Zwerg nicht an; aber die Zwerge verschwanden für immer. (Rochholz,
Schweizer Sagen aus dem Aargau I (1856), 282.) Vergleiche damit den Bettler-
trick: er gibt einer Frau sein Messer, ihm ein Stück Brot abzuschneiden; hinter-
her sagt er, er habe gerade einen Hund damit geschlachtet; darauf bekommt
er den ganzen Brotlaib (Thompson, The Types of the Folk-Tale, FFG. 74,
Helsinki 1928, Nr. 1578).
1 A. S. de Blecourt, Bewijsstukken bij het Kort Begrip van het oud-
vaderlandsch burgerlijk Recht, 2. Aufl. 1937, S. 244.
2 Ebenda 280.
3 1789 Jahrbuch des Alstervereins, 1909, S. 23. Vgl. auch die bekannte
Stelle in Macchiavellis Buch vom Fürsten (7. Kapitel), wo der Fürst, um
das unruhig gewordene Volk zu befriedigen, einen früheren Günstling auf dem
Markte ausstellen läßt, in zwei Stücke zerrissen, mit einem Stück Holz und
einem blutigen Messer zur Seite. 4 Österr. Weistümer VIII 799.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften