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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0072
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Messerbräuche. Studien zur R'echtsgeschichte und Volkskunde 69

spielt oft unter den schreckhaft riesigen Werkzeugen auch ein
hölzernes Rasiermesser eine Rolle1.
Rei andern Hänselbräuchen wieder wird das gewöhnliche
Berufsgerät zum Vollzug einer scherzhaften Strafe verwendet. Da
ist zu nennen das Jagd- und Weidmesser, das dem jungen Jäger,
der sich gegen Weidmannsbrauch vergangen hat, standesgemäße
Lektion, die Pfunde, erteilt. Das Küfermesser, Band- oder Keller-
messer ist das Strafwerkzeug gegenüber wirklichen und angeb-
lichen Kellerfreveln zahlungskräftiger Kellerbesucher. Die lustigen
und höflichen Reime der Kellerrechtstafeln2 verraten, daß auch
hier, wie so oft, vom alten Brauch die Heischesitte das Beständig-
ste war.
7. Vereinzelte Messerbräuche zeigen deutlich das Messer als
Waffe; es vertritt das Schwert oder Seitengewehr. Osenbrüggen3
berichtet Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Schweiz: ,,Als eine
noch bestehende Sitte in Appenzell Innerrhoden wurde mir von
einem Augenzeugen erzählt, daß wenn in einem Wirtshaus sich
Streit erhoben hat, der Landmann, welcher seiner allgemeinen
Pflicht gemäß, Frieden gebieten will, auf den Tisch springt, sein
Messer in die Decke des Zimmers stößt und zum ersten, andern
und drittenmal Frieden gebietet.“ Dieses Friedgebot mit dem
Messer erinnert an das Schwert als Friedenszeichen, wie es z. B.
bei Jahrmärkten aufgesteckt wurde4. Möglicherweise hat die Sitte,
daß die Brautführer ihre Degen mit der Spitze in die Zimmerdecke
über den Brautleuten stoßen, wie es E. H. Meyer5 aus Schwaben
beibringt, einen ähnlichen Sinn, den Friedensschutz. Doch sind
auch abergläubische Vorstellungen vielleicht im Spiel6. Daß bei
Schlägereien im Wirtshaus derjenige, der Frieden stiften will, selbst
zur Waffe greift und damit zu schlichten versucht, ist naheliegend.
1 Rauers, Ilänselbuch, 1936, S. 191.
2 v. Künssberg, Rechtsverse / Neue Heidelberger Jahrbücher 1933,
S. 9711'. 132ff.; Wolfram v. Erffa / Schwabenspiegel, Wochenschrift der
Württemberger Zeitung, 30. Jahrg., Nr. 40, S. 308. — Eine Darstellung des
Kellerrechts am Heidelberger Faß, aus dem 18. Jahrhundert bei: v. Künss-
berg, Rechtsbrauch und Volksbrauch / Handbuch der deutschen Volkskunde,
hrsg. Peßler I (1935), S. 300.
3 Osenbrüggen, Rechtsaltertümer aus der Schweiz III (1859), 41; vgl.
His, Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter / Zeitschrift für
Rechtsgeschichte 46 (1912), 1621'. 174ff.
4 v. Künssberg, Rechtliche Volkskunde, 1936, S. 109f.
5 E. H. Meyer, Deutsche Volkskunde, 1898, S. 179f.
6 Siehe § 16.
 
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