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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0091
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88

Eberhard Freiherr von Künssberg:

In Norddeutschland gibt es ein Messerspiel ‘Proppentrecken’
oder ‘Kohschiet und Marke’ genannt, das eine Verbindung von
‘Mal und Umnäh mit dem ‘Messerstecken’ ist; es nähert sich den
Hänselbräuchen. Schumann beschreibt es im Lübecker Spielbuch1
folgendermaßen:
Jeder Spieler grenzt für sich am Erdboden eine runde Strecke
ab. Von dieser aus werfen sie der Reihe nach das Messer nieder,
daß die Markenseite oben liegt. Jeder merkt sich, ob er Marke
geworfen hat oder Kohschiet. Sind alle daran gewesen, so dür-
fen die, welche Marke haben, aus der Stelle derer, die Koh-
schiet haben, solange Erde herausschneiden, als sie den Atem
anhalten können, und diese neben ihrer Stelle anhäufen. Zu-
letzt wird gedeckt, d. h. jeder füllt sein Loch mit der daneben
liegenden Erde zu. Die überschüssige Erde wird zusammen-
getragen und oben in diesen Haufen das Messer gesteckt, so
daß es kaum mit der Spitze herausragt. Dann müssen alle,
die zu wenig Erde zum Füllen haben, es mit dem Munde
herausziehen, dürfen aber dabei die Spitze des Haufens dreimal
anblasen, um Raum zu gewinnen.
Aus der englischen Stadt Ipswich ist uns vom Jahre 1291 ein
altertümliches Messerorakel überliefert2. Da heißt es (in altfranzö-
sischer Sprache):
le un burgeys defendaunt dedye la dette e se defende par la ley
countre Vautre burgeys, celyqe laley deyt fere deyt mener ovesqe
luy en court, le jour q'il deyt sa ley fere, X hommes, les queux
serrunt sevreo en deux party es, c’est a saver V d^une pari e V
ddautre, entre les queux un cotel a poynt deyt estre jetee, e ceux
V ver les queux la maunche du cotel chiet, serrunt en oustez
saunz serement fere; e les autres V ver les queux la poynte chet,
demorunt ovesque cely qe la ley deyt fere, mes de ceux V serra
ly un remue, e les quatre de eux frunt le serement ovesqe cely
qe la dite ley deyt fere.
Wer einen Beweis mit Eideshelfern zu erbringen hat, stellt dafür
zunächst zehn Leute. Diese werden in zwei Gruppen zu je fünf
aufgestellt. Zwischen die zwei Gruppen wird ein spitzes Messer ge-
worfen. Die Gruppe gilt als abgelehnt, gegen die das Messerheft
zeigt. Von den übrigen fünf wird noch einer abgelehnt; der Rest
von vier bildet dann die Eideshilfe des Beklagten. Mary Bate-
1 Schumann, Lübecker Spiel- und Rätselbuch, S. 87 Nr. 172 a.
2 M. Bateson, Borough Customs I (1904), 179.
 
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