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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0027
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Rom und die Christen im ersten Jahrhundert

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sophische Athlet im Vordergrund der Betrachtung steht und nicht
der christliche Apostel. Auch die Formulierung, daß Paulus die
ganze Welt Gerechtigkeit gelehrt habe, soll nicht eine Kennzeich-
nung der Paulus-Botschaft sein — so daß man etwa „Frömmig-
keit“ übersetzen* 1 oder an die Glaubens-Gerechtigkeit des Bömer-
briefs denken dürfte —, denn genau so, als „Einführer der Gerech-
tigkeit“, hat Epiktet den Herakles im Zusammenhang einer agoni-
stischen Deutung geschildert2. Allein der Lebensabschluß des Apo-
stels ist mit christlich klingenden Worten beschrieben: „er ward von
der Welt befreit und aufgenommen (oder — nach den griechischen
Handschriften —: ging) an die heilige Stätte“. Wenn es vorher
heißt μαρτυρήσας επί των ηγουμένων, so geht das möglicherweise auf
eine Vernehmung, und nicht auf den Tod. Das muß hervorgehoben
werden, weil in dem Petrus-Abschnitt die Worte ούτω μαρτυρήσας
vielleicht den Märtyrertod bezeichnen sollen. Das Wort μαρτυρεΐν
hätte dann noch nicht schlechthin die Bedeutung des „Marty-
riums“3. Die Entwicklung ginge aber in dieser Richtung. Vielleicht
wußte man von der Vernehmung des Paulus etwas — wenn sie
etwa im Rahmen eines wirklichen Prozesses stattgefunden hatte —;
Petrus aber war wahrscheinlich von einer Verfolgungswelle erfaßt
und mit vielen anderen durch magistratische Coercition4 zum Tode
verurteilt worden, so daß die Gemeinde nichts von seiner
Vernehmung erfahren hatte.
.Wie steht es nun aber überhaupt mit dem Petrus-Abschnitt?
Die Frage, ob Petrus wirklich und in Rom den Märtyrertod ge-
storben sei, ist innerhalb des letzten Jahrzehnts von Dannen-

und Wiederverhaftung des Apostels. Dabei sind die Angaben des Klemens
viel zu sehr als biographisches Material und zu wenig als philosophische Varia-
tionen über den wahren Agon gefaßt.
1 v. IIarnack, Einführung in die alte Kirchengeschichte 107.
2 Epiktet 111 26, 31 sagt von Herakles, καί έτόνει καί έγυμνάζετο und
schildert ihn dann als άπάσης γης καί θ-αλάττης αρχοκ; καί ήγεμών (mutatis
mutandis wird von Paulus ein ähnlich volltönender Ausdruck gebraucht
διδάξας δλον τον κόσμον) . . . είσαγωγεύς δέ δικαιοσύνης καί όσιότητος. Die
Xebeneinanderstellung zeigt, daß mit δικαιοσύνη nicht Frömmigkeit gemeint
ist.
3 So auch Strathmann im Th. Wörterbuch IV 511 gegen von Campen-
hausen, Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche 54.
4 Über den Unterschied des Kriminalprozesses von der Coercition und
deren Häufigkeit bei Religionsfreveln siehe Mommsen, Der Religionsfrevel
nach römischem Recht. Hist. Zeitschrift 64, 1890, 389—429.
 
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