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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0034
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Martin Dibelius:

Daß die Stellen weit voneinander getrennt sind, braucht bei der
Art, wie Sueton sein Material darbietet, nicht aufzufallen. Wohl
aber fällt auf, daß beim Brande Roms der Christen gar nicht ge-
dacht wird. Das versteht sich aber, wenn ein Zusammenhang zwi-
schen beiden Ereignissen öffentlich gar nicht in Erscheinung ge-
treten ist.
3. Keine christliche Quelle sagt, daß die neronische Verfol-
gung auf der Anklage der Brandstiftung gegen die Christen beruhe1.
Wenn man auch hei Klemens eine solche Beziehung nicht erwarten
kann, so dürfte sie doch bei denjenigen unter den Apologeten, die
ausführlich von der Christenverfolgung unter Nero sprechen, nicht
fehlen. Melito und Tertullian hätten allen Anlaß, ihre Glaubens-
genossen gegen einen solchen Vorwurf in Schutz zu nehmen. Der
I. Petrusbrief erwähnt 4, 15 gewisse Verbrechen, die den Christen
zu Unrecht vorgeworfen werden könnten, aber auch hier fehlt die
Brandstiftung. Auch die romanhaften Darstellungen der apokry-
phen Apostelakten enthalten nichts dergleichen.
Es waren offenbar Anklagen anderer Art, die das Volk gegen
die Christen einnahmen und die jenen Haß erzeugten, den Nero bei
seinem Ablenkungsmanöver benutzte. Bei der Einführung der Chri-
sten redet Tacitus davon, daß diese (zu ergänzen ist: sowieso schon)
beim Volke per flagitia verhaßt gewesen seien. Man fragt sich,
welche Schandtaten das gewesen sein mögen. Die Antwort ist viel-
leicht eher auf literarischem als auf historischem Wege zu gewinnen.
Wir haben alles Recht, zur Erklärung des Tacitus-Kapitels den be-
rühmten Brief des Plinius an Trajan über die Christen2 heranzu-
ziehen. Daß Tacitus in seinem Urteil über die Christen sich an die
Darstellung des Plinius, diese älteste Beschreibung der Christen
durch einen Römer in hoher Stellung, hält, ist bei den freundschaft-
lichen Beziehungen beider Männer gut möglich und entspricht auch
der Chronologie; gewisse Übereinstimmungen im Wortlaut machen
es wahrscheinlich. Dazu gehört außer der Bezeichnung superstitio
vor allem die Erwähnung des Vorwurfs flagitia gegen die Christen.
Plinius war sich nicht klar, ob nomen ipsum, si flagitiis careat, an
1 Eine Ausnahme macht Sulpicius Severus, Chron. II 29; aber er hat
Tacitus ausgeschrieben.
2 C. Plini et Traiani epistulae 96. Vgl. zum Folgenden Wilhelm Weber
in der Festgabe für Karl Müller S. 40 über die Tacitus-Stelle: „in seinen
Urteilen aber glaubt man immer die Worte seines Freundes Plinius zu hören;
auch das Rescript Trajans muß er gekannt haben.“ Belege gibt Weber in
der zugehörigen Anmerkung.
 
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