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Lullus, Raimundus; Hofmann, Joseph Ehrenfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 4. Abhandlung): Ramon Lulls Kreisquadratur — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42029#0007
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Ramon Lulls Kreisquadratur

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gemessen werden17. Daher muß man an Stelle der wirklichen (sen-
titae) Strecken und Bögen ihre Ideen (significata) setzen und diese
in der Vorstellung {cum imaginatione) zum Vergleich bringen18.
Diese Schlußweise ist sehr bezeichnend für Lull, der im folgenden
stets zwischen den wirklichen = sinnlich-erfaßbaren und den ge-
dachten = unwirklich-mathematischen Dingen unterscheidet. Die
unmittelbare Anschauung führt ihn zu gewissen Vermutungen, die
nun noch mathematisch unterbaut werden müssen19. Die Welt des
Mathematischen ist die Welt des Unsichtbaren, in gewissem Sinne
die Welt des Unbegreiflichen. Der mathematische Punkt ist un-
vorstellbar, unsichtbar und unteilbar und vermag nur als solcher
an Linien und Flächenstücken abschließend teilzunehmen20; eine
mathematische Linie muß durchaus nicht nur Abbild einer wirk-
lichen Linie sein, sie kann vielmehr als völlig unsichtbar einen Kreis
in unsichtbare Teile teilen21 u. dgl. m. Aber in dieser mathemati-
schen Welt des Unwirklichen gibt es gewisse innere Gesetzmäßig-
keiten, die aus der natürlichen Aufeinanderfolge der Zahlen hervor-
gehen und auf die wir aus der Welt der Wirklichkeiten hingewiesen
werden22. Diese Gesetzmäßigkeiten sind es, von denen die ars gene-
ralis mit ihren Methoden ausgeht. Was Lull im einzelnen näher
ausführt, ist freilich noch ganz unausgereift und verschwommen
genug, aber es kann dennoch als Keimling unseres Schlusses von
n auf n +1 angesehen werden23.
Lull betrachtet insgesamt 14 kongruente Kreise, aus denen
er kennzeichnende Figuren ableitet24. In den ersten vier Figuren
behandelt er das Teilungsproblem. Der 1. Kreis ist ein circulus
17 Siehe in der nachfolgenden Edition Z[eile] 8—10.
18 Z. 11—13.
19 Daher kann es eintreten, daß Lull für eine Aussage einen „sinnfälli-
gen“ und einen „mathematischen“ Beweis aufstellt, wie etwa Z. 391-392: Unde
ratione huius quadratura circuli duobus modis est demonstrata, videlicet mathe-
matice et sensualiter.
20 Z. 93—95. In dieser Weise faßt Lull die EuKLmische Yerbaldefinition
auf: Punctum est, cuius pars nulla est.
21 so Z. 96—112 und Z. 116—123 und öfter.
22 Z. 204—218.
23 Die erste klare Formulierung findet sich freilich erst bei Francesco
Maurolico, Arithmeticorum libri duo nunc primum in lucem editi, Venedig
1575, S. 7, 17 und 30. - Im vorliegenden Text sehe man insbesondere Z. 338
bis 363 an.
24 Lulls Originalfiguren sind am Ende der Abhandlung auf einer heraus-
schlagbaren Tafel vereinigt.
 
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