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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1942/43, 1. Abhandlung): Die ätolischen Soterien und die attische Archontenforschung — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42031#0012
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Walther Kolbe:

Die Forschung verhielt sich anfangs ablehnend: deutsche und
italienische Gelehrte waren sich darin einig, daß dies eine Umkeh-
rung des wahren Sachverhaltes sei. Genannt seien Johannes
Kirchner, J. Belocii und G. De Sanctis. Aber dann war, ohne
daß neue Beweisgründe geltend gemacht waren, plötzlich ein völli-
ger Umschwung da: die Franzosen R. Flaceliere und L. Rorert
gingen voran, dann folgten die Angelsachsen Tarn, W. Dinsmoor
und W. S. Ferguson und schließlich erklärte sich von deutscher
Seite G. Klaffenbach für den zeitlichen Vorrang des amphik-
tionischen Festes. Während dies als gesicherte Tatsache behandelt
wurde, war die Frage, in welche Zeit jene grundlegende Umwand-
lung des Festes gehöre, heiß umstritten. Doch wie man sich auch
entschied, in jedem Falle zog die Neuorientierung der Soterien
weite Kreise. Da nämlich durch den Beschluß von Athen feststand,
daß die Gründung des ätolischen Festes unter Polyeuktos statt-
gefunden hatte, mußte auch dieser attische Archon um Jahrzehnte
herabgesetzt werden und mit ihm die ganze Gruppe von Eponymen,
die nach dem Zeugnis des sog. Salamissteines in seine Nachbar-
schaft gehört. Das hatte dann wieder zur Folge, daß zahlreiche
prosopographische Daten von athenischen Bürgern geändert wer-
den mußten. Nicht anders stand es um die Erforschung von Delphi.
Auch seine Chronologie und Prosopographie erfuhr eine gründliche
Umgestaltung. Man versteht leicht, daß um dieser Folgen willen
die Stiftung der ätolischen Soterien zum zentralen Problem des
dritten Jahrhunderts werden mußte, das die attische Geschichte in
gleicher Weise überschattete wie die delphische. Wie groß die Zer-
splitterung in der Forschung geworden war, möge die Tatsache
beleuchten, daß jedes Jahrzehnt von den 70er bis zu den 40er Jah-
ren für die Stiftung der ätolischen Soterien in Anspruch genommen
wurde1.
Dies war der Stand der Dinge, als es L. Robert 1930 gelang,
in einem erstmalig von H. Pomtow in der Klio 1914, dann von
Bourguet in den FdD. III 1,483 veröffentlichten Beschluß von
Smyrna den Namen des Königs Seleukos’ II. festzustellen2. Da er
1 Das alte Datum vertraten Kirchner (bis 1932), Kolbe, Pomtow 261/0,
Beloch. Die These von der Umwandlung hatten sich u. a. die nachstehenden
Gelehrten zu eigen gemacht, wobei sie folgende Daten vertraten: 255/4 Fla-
celiere (Bull. Hell. 1928, 256ff.), Klaffenbach IG. IX l2, S. XVII und 80
n. 194, Kirchner (seit 1932) 256/5, Dinsmoor 249/8.
2 Bull. Hell. 1930, 329. Die Lesung ist sicher, wenn auch nur ein Teil des
anlautenden Σ erhalten ist.
 
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