Die ätolischen Soterien und die attische Archontenforschung
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Kampf begonnen hat. Angesichts dieser klaren Sachlage ist es nicht
länger möglich, Diokles in 288/7 zu belassen, da Athen schon im
Beginn seines Archontates als freie Stadt erscheint in dem bekann-
ten Dekret zu Ehren des ägyptischen Admirals Zeno, IG. II2 650.
Diokles — mit dem Schreiber aus Phyle IV — muß also auf 287/6
herabgerückt werden. Das ist eine alte, freilich lange verkannte
Wahrheit; schon U. Koehler hat sie vertreten. Aber erst der
Fund der Poletenurkunde wird ihr zum Durchbruch verhelfen: denn
mit dieser Datierung ist der Platz gewonnen, um Urias in 288/7 als
Nachfolger der Telokles unterzubringen. Jetzt fügt sich alles glatt
ineinander: 293/2 unter Philippos Verkauf des Hauses, 289/8 im
fünften Jahr danach unter Telokles Prozeß gegen den Bürgen des
säumigen Schuldners und 288/7 unter Urias Zahlung.
Damit ist ein Sachverhalt klargestellt, der in der Tat geeignet ist,
unsere Vorstellungen in entscheidender Weise zu beeinflussen.
Nicht das ist das Wichtige, daß die Daten der Archonten von Athen
um ein Jahr herabgerückt werden. Das tritt ganz in den Hinter-
grund vor der Erkenntnis, daß uns ein Fall vorliegt, in dem die
Methode der Datierung nach der Schreib erfolge offen-
sichtlich in die Irre führt. Alles hatte Meritt unter Heranzie-
hung des Aristoteles bei der Erläuterung der Poletenurkunde richtig
dargestellt: die fünfjährige Zahlungsfrist zwischen Hauskauf und
Erlegung der Kaufsumme, die unmittelbare Aufeinanderfolge von
Gerichtsurteil und Zahlung. Trotzdem trennte er Telokles und
Urias und setzte letzteren wegen des Schreibers aus der IX. Phyle
auf 283/2, wie er Diokles wegen der IV. Phyle in 288/7 beließ. Sein
Glaube an das Schreibergesetz war nicht zu erschüttern. Er sah
wohl den Konflikt mit Aristoteles’ Zeugnis, aber er nahm lieber eine
Verletzung der Gesetze des Staates in Kauf, als daß er die Grund-
lage des Ferguson’schen Gesetzes preisgegeben hätte. Es ist der sich
immer erneuernde Kampf zwischen den historischen Zeugnissen im
weitesten Sinne des Wortes und den Forderungen eines rein mecha-
nischen Systems. In vielen Fällen ist er nicht zu entscheiden, und
das System wird dann siegen, weil es durch seine glatten Ergebnisse
einen so verführerischen Reiz ausübt. Aber hier haben wir ein Bei-
spiel, wo der Zwang der sachlichen Gegebenheiten so stark ist, daß
nichts anderes übrig bleibt als zu erklären: wir sehen uns einer Stö-
rung der Schreiberfolge gegenüber, Urias’ Schreiber stammt aus der
IX. Phyle, der seines Nachbarn Diokles aus der IV. Phyle. Der
Befund spricht für sich. Es herrscht — zum mindesten bis zu
4 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1942/43. 1. Abh.
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Kampf begonnen hat. Angesichts dieser klaren Sachlage ist es nicht
länger möglich, Diokles in 288/7 zu belassen, da Athen schon im
Beginn seines Archontates als freie Stadt erscheint in dem bekann-
ten Dekret zu Ehren des ägyptischen Admirals Zeno, IG. II2 650.
Diokles — mit dem Schreiber aus Phyle IV — muß also auf 287/6
herabgerückt werden. Das ist eine alte, freilich lange verkannte
Wahrheit; schon U. Koehler hat sie vertreten. Aber erst der
Fund der Poletenurkunde wird ihr zum Durchbruch verhelfen: denn
mit dieser Datierung ist der Platz gewonnen, um Urias in 288/7 als
Nachfolger der Telokles unterzubringen. Jetzt fügt sich alles glatt
ineinander: 293/2 unter Philippos Verkauf des Hauses, 289/8 im
fünften Jahr danach unter Telokles Prozeß gegen den Bürgen des
säumigen Schuldners und 288/7 unter Urias Zahlung.
Damit ist ein Sachverhalt klargestellt, der in der Tat geeignet ist,
unsere Vorstellungen in entscheidender Weise zu beeinflussen.
Nicht das ist das Wichtige, daß die Daten der Archonten von Athen
um ein Jahr herabgerückt werden. Das tritt ganz in den Hinter-
grund vor der Erkenntnis, daß uns ein Fall vorliegt, in dem die
Methode der Datierung nach der Schreib erfolge offen-
sichtlich in die Irre führt. Alles hatte Meritt unter Heranzie-
hung des Aristoteles bei der Erläuterung der Poletenurkunde richtig
dargestellt: die fünfjährige Zahlungsfrist zwischen Hauskauf und
Erlegung der Kaufsumme, die unmittelbare Aufeinanderfolge von
Gerichtsurteil und Zahlung. Trotzdem trennte er Telokles und
Urias und setzte letzteren wegen des Schreibers aus der IX. Phyle
auf 283/2, wie er Diokles wegen der IV. Phyle in 288/7 beließ. Sein
Glaube an das Schreibergesetz war nicht zu erschüttern. Er sah
wohl den Konflikt mit Aristoteles’ Zeugnis, aber er nahm lieber eine
Verletzung der Gesetze des Staates in Kauf, als daß er die Grund-
lage des Ferguson’schen Gesetzes preisgegeben hätte. Es ist der sich
immer erneuernde Kampf zwischen den historischen Zeugnissen im
weitesten Sinne des Wortes und den Forderungen eines rein mecha-
nischen Systems. In vielen Fällen ist er nicht zu entscheiden, und
das System wird dann siegen, weil es durch seine glatten Ergebnisse
einen so verführerischen Reiz ausübt. Aber hier haben wir ein Bei-
spiel, wo der Zwang der sachlichen Gegebenheiten so stark ist, daß
nichts anderes übrig bleibt als zu erklären: wir sehen uns einer Stö-
rung der Schreiberfolge gegenüber, Urias’ Schreiber stammt aus der
IX. Phyle, der seines Nachbarn Diokles aus der IV. Phyle. Der
Befund spricht für sich. Es herrscht — zum mindesten bis zu
4 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1942/43. 1. Abh.