IV. Gab es noch andere Ursprungsländer?
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Wenn aber in frühminoischer Zeit, um die Mitte des 3. Jahr-
tausends, noch keine direkten Beziehungen zwischen Kreta und
den syrischen Küstenländern der Levante bestanden, und wenn die
kretische Ölbaumzucht mindestens ebenso alt ist wie die in jenen
Ländern, so ist die Einführung der Ölbaumkultur aus Sy-
rien oder Palästina nach Kreta ausgeschlossen.
Man ist a priori gern geneigt anzunehmen, daß die Veredlung
der Kulturpflanzen ebenso wie die Zähmung der Haustiere jeweils
von einem Punkt, von einer Urheimat aus ihren Ausgang ge-
nommen habe. Ein zwingender allgemeiner Grund zu einer solchen
Annahme liegt nicht vor. Ist diese Annahme mit Bezug auf den
Ölbaum richtig, so müssen die im obigen auf Grund der bisherigen
Forschung angesetzten Daten und Synchronismen unrichtig sein
und bedürfen der Bevision. Es könnte z. B. sein, daß die Oliven-
kultur doch schon wesentlich früher aus Syrien oder Palästina nach
Ägypten eingeführt wurde als um 1500 v. Chr. Oder es könnte
sein, daß doch schon viel früher als um 1900 oder 1940 direkte Be-
ziehungen zwischen Kreta und den vorderasiatischen Ländern be-
standen. Wenn letzteres der Fall war, so würde es sich fragen, ob
die Ölbaumzucht von Syrien oder Palästina nach Kreta eingeführt
wurde, oder ob nicht vielleicht Kreta mehr Anspruch auf die Heimat
der Ölbaumkultur hat als jene Länder. Die geographischen, boden-
plastischen und klimatischen Bedingungen sind in Kreta minde-
stens ebenso günstig für das Gedeihen des Ölbaums wie in den
Küstenländern der Levante. Der wilde Ölbaum (Olea europaea var.
Oleaster) kommt auch auf Kreta vor; Rikli1 sah ihn dort verein-
zelt sogar in Exemplaren bis zu 20 m Höhe. Die Möglichkeit der
Veredlung des Oleasters war also auch auf Kreta gegeben. Da die
Früchte des wilden Ölbaums in Südeuropa, wie wir sahen (oben
S. 18f.), schon seit der paläolithischen Periode von den Menschen
gesammelt und gegessen wurden, so lag in einem Zeitalter, wo der
Mensch überhaupt mit der Kultivierung von Fruchtbäumen begon-
nen hatte, der Gedanke, einen so wichtigen Baum wie den wilden
Ölbaum zu züchten, im ganzen Mittelmeergebiet ohne weiteres nahe.
Die Wahrscheinlichkeit, daß die Bewohner der Insel ohne Anre-
gung von außen die Züchtung des Ölbaums begonnen haben, ist
deshalb hier ebenso groß wie in Palästina und Syrien. Und Kreta
ist seit den Zeiten der minoischen Kultur immer eine wahre Oliven-
insel gewesen.
1 M. Rikli, Das Pflanzenkleid der Mittelmeerländer 52 (1942).
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Wenn aber in frühminoischer Zeit, um die Mitte des 3. Jahr-
tausends, noch keine direkten Beziehungen zwischen Kreta und
den syrischen Küstenländern der Levante bestanden, und wenn die
kretische Ölbaumzucht mindestens ebenso alt ist wie die in jenen
Ländern, so ist die Einführung der Ölbaumkultur aus Sy-
rien oder Palästina nach Kreta ausgeschlossen.
Man ist a priori gern geneigt anzunehmen, daß die Veredlung
der Kulturpflanzen ebenso wie die Zähmung der Haustiere jeweils
von einem Punkt, von einer Urheimat aus ihren Ausgang ge-
nommen habe. Ein zwingender allgemeiner Grund zu einer solchen
Annahme liegt nicht vor. Ist diese Annahme mit Bezug auf den
Ölbaum richtig, so müssen die im obigen auf Grund der bisherigen
Forschung angesetzten Daten und Synchronismen unrichtig sein
und bedürfen der Bevision. Es könnte z. B. sein, daß die Oliven-
kultur doch schon wesentlich früher aus Syrien oder Palästina nach
Ägypten eingeführt wurde als um 1500 v. Chr. Oder es könnte
sein, daß doch schon viel früher als um 1900 oder 1940 direkte Be-
ziehungen zwischen Kreta und den vorderasiatischen Ländern be-
standen. Wenn letzteres der Fall war, so würde es sich fragen, ob
die Ölbaumzucht von Syrien oder Palästina nach Kreta eingeführt
wurde, oder ob nicht vielleicht Kreta mehr Anspruch auf die Heimat
der Ölbaumkultur hat als jene Länder. Die geographischen, boden-
plastischen und klimatischen Bedingungen sind in Kreta minde-
stens ebenso günstig für das Gedeihen des Ölbaums wie in den
Küstenländern der Levante. Der wilde Ölbaum (Olea europaea var.
Oleaster) kommt auch auf Kreta vor; Rikli1 sah ihn dort verein-
zelt sogar in Exemplaren bis zu 20 m Höhe. Die Möglichkeit der
Veredlung des Oleasters war also auch auf Kreta gegeben. Da die
Früchte des wilden Ölbaums in Südeuropa, wie wir sahen (oben
S. 18f.), schon seit der paläolithischen Periode von den Menschen
gesammelt und gegessen wurden, so lag in einem Zeitalter, wo der
Mensch überhaupt mit der Kultivierung von Fruchtbäumen begon-
nen hatte, der Gedanke, einen so wichtigen Baum wie den wilden
Ölbaum zu züchten, im ganzen Mittelmeergebiet ohne weiteres nahe.
Die Wahrscheinlichkeit, daß die Bewohner der Insel ohne Anre-
gung von außen die Züchtung des Ölbaums begonnen haben, ist
deshalb hier ebenso groß wie in Palästina und Syrien. Und Kreta
ist seit den Zeiten der minoischen Kultur immer eine wahre Oliven-
insel gewesen.
1 M. Rikli, Das Pflanzenkleid der Mittelmeerländer 52 (1942).