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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0037
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Vom mittelalterlichen Zitieren

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darstellt als die anmutige Episierung eines geschichtlichen Vorgangs:
der Einkehr Kaiser Friedrichs I. auf seinem Zuge ins Heilige Land
Ende Mai 1189 bei Bela, König von Ungarn, und seiner Gattin
Margarethe, bei denen er vier Tage als willkommener und reich
beschenkter Gast verweilte. Da über der Erzählung des Liedes
nicht bloß die freudige Stimmung dieser Tage liegt, der letzten
frohen, die dem greisen Kaiser gegönnt waren, sondern auch der
tiefe Schatten der späteren Ereignisse, denen der Kaiser zum Opfer
fiel wie sein Sohn, der in jenen festlichen Tagen mit der Tochter
des ungarischen Königspaares verlobt worden war, so ist sicher,
daß das Lied erst nach 1190 entstanden sein kann. Das entspricht
durchaus der Auffassung, zu der die gegenwärtige literarische Kritik
auf Grund der Sprach- und Stilform des Liedes gekommen ist,
widerspricht nur älteren, bis auf Bartsch in Umlauf gewesenen
Anschauungen, die das Lied um Jahrzehnte weiter zurückzurücken
geneigt waren. Der Nachweis des geschichtlichen Hintergrundes
widerlegt allerdings auch die Annahme Heuslers, der Auftritt von
Bechelaren habe bereits in dem von ihm vermuteten Epos von 1160
gestanden, das er aus der Thidrekssaga glaubte rekonstruieren zu
können. Die Saga kennt in der Tat das „Idyll“ in all seinen Einzel-
heiten: Beweis genug, daß sie das Nibelungenlied gekannt hat, aus
dem allein sie stammen können. In das letzte Jahrzehnt des
12. Jahrhunderts als früheste Zeit der Entstehung des Liedes weist
auch die Einwirkung des provenzalischen Epos „Daurel e Beton“,
das erst in dieser Zeit entstanden ist, auf die Erzählung von Sieg-
frieds Tod.
Um zu einer genaueren Datierung zu kommen, steht schließlich
doch nichts anderes zur Verfügung als die gründliche Prüfung des
Verhältnisses, in dem Nibelungenlied und Parzival zueinander
stehen, und damit knüpfen wir wieder an den Punkt an, an dem
wir oben S. 13 unsere einschlägigen Erwägungen abgebrochen
haben.
Zwischen den beiden Epen besteht neben dem schon oben Dar-
gelegten eine weitere viel diskutierte Beziehung: sie haben zwei
seltsame geographische Namen aus dem Morgenlande miteinander
gemein. Das Lied berichtet (439, 2), Brünhild habe von Azagouc der
Slden einen wäfenroc getragen und nennt (362, 1) als in Kriemhilds
Kammer befindlich die arabischen siden wiz also der sne uni von Za-
zamanc der guoten grüene alsam der kle. Im Parzival treten in der
Belakanengeschichte des ersten Buches die Ländernamen Zazamanc
 
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