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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0040
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Friedrich Panzer

Trifft das Gesagte zu, so hätte also das Nibelungenlied den An-
fang des Parzival gekannt und benutzt. Wir wissen durch den Wiga-
lois, daß dessen erste sechs Bücher für sich bekannt geworden sind.
Das im Eingang ausführlich besprochene Zitat des Parzival aus der
C*-Fassung des Liedes steht im achten Buche. Das siebente Buch
ist datierhar. Es erwähnt die Zerstörung der Weingärten um Erfurt,
die durch die Belagerung der Stadt im Sommer 1203 angerichtet
wurde. Wolfram sagt, man sehe „noch“ ihre Spuren. Die Stelle
kann also frühestens 1204, vielleicht auch erst 1205 oder 06 gedich-
tet sein. Die Zerstörungen der Weingärten um Heilbronn, die der
letzte Krieg herheiführte, waren, wie ich kürzlich im Rundfunk
hörte, erst 1948, nach drei Jahren, beseitigt. Das achte Buch mag
dann 1206.07 entstanden sein. Damals lag also die C-Bearbeitung
des Liedes bereits vor, des Liedes und der Klage. Daß in Wolf-
rams Zitat die Worte Rumolt dem künec Günthere riet, dö er von
Wormz gein Hiunen schiet an die Worte Rumolds in der Klage 4061
als ich im mit triuwen riet, do er von disem lande schiet erinnern, hat
Edzardi bereits in seiner Ausgabe der Klage angemerkt. An dieser
Stelle der Klage stimmen B- und C-Form des Gedichtes überein. Daß
Wolfram die C-Form vor sich hatte, zeigt, wie gleichfalls schon
Edzardi festgestellt hat, der Einklang von Klage C 2668 daz tuot
mir wirs danne wol mit Parz. 149, 14 daz tuot mir wirs danne wol,
während Klage B liest da mit enwirt mir nimmer wol. Auch die
Übereinstimmung der in B fehlenden Klage-Verse C 3315 er möhte
noch genozzen hän, daz sin bruoder ist min man mit Parz. 346, 27
ich möht doch des genozzen hän, daz iuwer vater ist min man dürfte
schwerlich Zufall sein, obwohl das Wort man in der Parzivalstelle
„Dienstmann“ bedeutet.
Aus dem Gesagten ergibt sich: Nibelungenlied wie Klage haben
spätestens 1206/07 bereits in der C-Bearbeitung Vorgelegen; das
stimmt mit dem hohen Alter der dieser Bearbeitung zugehörigen
Handschriften C und Z überein. Daß diese Bearbeitung der Ent-
stehung von Lied und Klage auf dem Fuße folgte, ist eine Meinung,
die letzthin von E. Schröder wiederholt und nachdrücklich ge-
äußert wurde. Setzt man die Vollendung des Liedes auf etwa 1202,
so spricht man wohl nichts Unglaubhaftes aus. Den Beginn von
Wolframs Arbeit am Parzival hat L. Wolff glaubhaft auf etwa
1197 angesetzt. Der Lieddichter könnte also recht wohl aus den
ersten Büchern ein und das andere übernommen haben, so wie er.
 
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