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Hans Frhr. v. Campenhausen
lieferung von einem konservativen Standpunkt aus als historisch wie-
derholt und verteidigt worden ist — eine derartige Lösung ist gleich-
wohl unmöglich; denn sie widerspricht dem eindeutigen Zeugnis der
ältesten Quellen. Aber auch der entgegengesetzte, in der liberalen
Forschung vorherrschende Versuch, alles allein auf die galiläischen
Erscheinungen zu begründen und die Überlieferung vom leeren
Grabe ganz zu streichen, scheint mir nach Lage der Quellen nicht
durchführbar zu sein. Markus ist gewiß kein Paulus gleichwertiger
Zeuge, aber auch sein Zeugnis ist alt, widerspricht den paulinischen
Angaben in keiner Hinsicht und läßt sich nicht fortwischen. Beide
Daten, die galiläischen Erscheinungen wie das leere Grab, sind also
festzuhalten und bilden die festen Ausgangspunkte, nach denen
wir uns richten müssen, wenn eine zusammenhängende Rekonstruk-
tion der Ostergeschichte entworfen werden soll.
Ich hin mir selbstverständlich darüber im klaren, daß ein solcher
Versuch immer hypothetischen Charakter behält. Aber er erscheint
mir nicht aussichtslos. Einiges ergibt sich fast von seihst, wenn man
die gewonnenen Daten nebeneinanderstellt; und anderes läßt sich
in vorsichtiger Kombination wohl noch erschließen, zumal dann,
wenn man es nicht von vornherein verschmäht, die weiteren An-
gaben, die Lukas beisteuert, ergänzend heranzuziehen. Lukas ist der
einzige Evangelist, der wenigstens das Bestreben zeigt, ältere Nach-
richten zu sammeln und „historisch“ zu einem Gesamtbilde der er-
sten Zeit zu verarbeiten137. Auf jeden Fall erscheint mir ein ge-
wisses Vertrauen zu seinen Angaben sinnvoller als die verbreitete
Neigung, alles, was er und die übrigen Evangelisten bieten, ohne
weiteres preiszugehen und mit allgemeinen Vermutungen und
137 Eben weil Lukas diese Probleme als Theologe und zugleich auch als Histori-
ker bearbeitete, hat er sich nicht mit halben Lösungen begnügt. Gegen die ganze
galiläische Überlieferung ist er radikal vorgegangen, weil sie seiner Grundauffassung
von der Stellung Jerusalems widersprach. Andererseits zeigen doch gerade die
Ostergeschichten sehr eindrucksvoll, wie er von dem Material, das er hat, so wenig
preisgeben möchte wie möglich. So hat er als einziger Evangelist die grundlegende
erste Auferstehungsbegegnung mit Petrus trotz der Schwierigkeiten, die sie ihm
machte, immerhin genannt (o.S. 13f.), und in den Worten des Engels, die bei Markus
nach Galiläa weisen, hat er in einer fast modern anmutenden „Literarkritik“ we-
nigstens die Erwähnung Galiläas noch fcstgehalten (Lk. 24, 6). Mir scheint die
Charakteristik, die Ed. Meyer I, 33 f. von der Arbeitsweise des Lukas gibt, keines-
wegs so abwegig, wie manche theologischen Kritiker meinen; vgl. im übrigen M.
Dibelius, Der erste christliche Historiker (1948) in: Aufsätze zur Apostelgeschichte
(1951) 108 ff.; auch R. MorGENTHALER, Die lukanisclie Geschichtsschreibung als
Zeugnis 2 (1948) 26ff.
Hans Frhr. v. Campenhausen
lieferung von einem konservativen Standpunkt aus als historisch wie-
derholt und verteidigt worden ist — eine derartige Lösung ist gleich-
wohl unmöglich; denn sie widerspricht dem eindeutigen Zeugnis der
ältesten Quellen. Aber auch der entgegengesetzte, in der liberalen
Forschung vorherrschende Versuch, alles allein auf die galiläischen
Erscheinungen zu begründen und die Überlieferung vom leeren
Grabe ganz zu streichen, scheint mir nach Lage der Quellen nicht
durchführbar zu sein. Markus ist gewiß kein Paulus gleichwertiger
Zeuge, aber auch sein Zeugnis ist alt, widerspricht den paulinischen
Angaben in keiner Hinsicht und läßt sich nicht fortwischen. Beide
Daten, die galiläischen Erscheinungen wie das leere Grab, sind also
festzuhalten und bilden die festen Ausgangspunkte, nach denen
wir uns richten müssen, wenn eine zusammenhängende Rekonstruk-
tion der Ostergeschichte entworfen werden soll.
Ich hin mir selbstverständlich darüber im klaren, daß ein solcher
Versuch immer hypothetischen Charakter behält. Aber er erscheint
mir nicht aussichtslos. Einiges ergibt sich fast von seihst, wenn man
die gewonnenen Daten nebeneinanderstellt; und anderes läßt sich
in vorsichtiger Kombination wohl noch erschließen, zumal dann,
wenn man es nicht von vornherein verschmäht, die weiteren An-
gaben, die Lukas beisteuert, ergänzend heranzuziehen. Lukas ist der
einzige Evangelist, der wenigstens das Bestreben zeigt, ältere Nach-
richten zu sammeln und „historisch“ zu einem Gesamtbilde der er-
sten Zeit zu verarbeiten137. Auf jeden Fall erscheint mir ein ge-
wisses Vertrauen zu seinen Angaben sinnvoller als die verbreitete
Neigung, alles, was er und die übrigen Evangelisten bieten, ohne
weiteres preiszugehen und mit allgemeinen Vermutungen und
137 Eben weil Lukas diese Probleme als Theologe und zugleich auch als Histori-
ker bearbeitete, hat er sich nicht mit halben Lösungen begnügt. Gegen die ganze
galiläische Überlieferung ist er radikal vorgegangen, weil sie seiner Grundauffassung
von der Stellung Jerusalems widersprach. Andererseits zeigen doch gerade die
Ostergeschichten sehr eindrucksvoll, wie er von dem Material, das er hat, so wenig
preisgeben möchte wie möglich. So hat er als einziger Evangelist die grundlegende
erste Auferstehungsbegegnung mit Petrus trotz der Schwierigkeiten, die sie ihm
machte, immerhin genannt (o.S. 13f.), und in den Worten des Engels, die bei Markus
nach Galiläa weisen, hat er in einer fast modern anmutenden „Literarkritik“ we-
nigstens die Erwähnung Galiläas noch fcstgehalten (Lk. 24, 6). Mir scheint die
Charakteristik, die Ed. Meyer I, 33 f. von der Arbeitsweise des Lukas gibt, keines-
wegs so abwegig, wie manche theologischen Kritiker meinen; vgl. im übrigen M.
Dibelius, Der erste christliche Historiker (1948) in: Aufsätze zur Apostelgeschichte
(1951) 108 ff.; auch R. MorGENTHALER, Die lukanisclie Geschichtsschreibung als
Zeugnis 2 (1948) 26ff.