Die Begründung kirchlicher Entscheidungen beim Apostel Paulus
etwa gefundene Ansätze keineswegs einheitlich sein werden, sondern in
ganz verschiedene Richtungen weisen. Eben darum möchte ich die folgende
Untersuchung auf einen kleinen Ausschnitt beschränken, bei dem die
Verhältnisse für uns einzigartig glücklich gelegen sind, die Briefe des
Apostels Paulus. Die echten paulinischen Briefe2 bilden einen verhältnis-
mäßig umfangreichen Schriftenkomplex aus der frühesten Zeit des außer-
palästinensischen Christentums; sie spiegeln die wirklichen Verhältnisse
und Schwierigkeiten des damaligen Gemeindelebens vielfach und un-
mittelbar wider, zu denen der Apostel ausdrücklich Stellung nimmt; und sie
tragen dabei durchweg den Stempel seiner überragenden Gestaltungskraft,
die sich niemals mit bloß taktischen Lösungen zufrieden gibt, sondern
gerade auf eine Rechtfertigung des konkret Gebotenen aus dem Verkün-
digten und aus dem Geglaubten entscheidendes Gewicht legt; d. h. eben
die von uns gesuchte Verbindung des Praktischen mit dem Grundsätzlichen
tritt hier in geradezu musterhafter Weise ans Licht. Wenn irgendwo im
Neuen Testament (und sonstigen Urchristentum), dann muß also gerade
beim Apostel Paulus so etwas wie eine prinzipielle Grundlegung des
Kirchenrechtes erkennbar werden.
Diese Erkenntnis ist als solche natürlich nicht neu. Das, worauf es uns
jetzt ankommt, ist lediglich die strikte Begrenzung der Eragestellung. Wir
fragen im folgenden ausschließlich nach der Begründung, die Paulus seinen
wirklichen Entscheidungen für Kirche und Gemeinde gibt, d. h. nach den
systematischen Gesichtspunkten, denen er bei ihrer Beurteilung folgt, und
nach den Normen, auf die er sich dabei bezieht. Wir stellen also die allge-
mein theologische Betrachtung, mit welcher man meist etwas schnell zu
beginnen pflegt, bewußt zurück. Wir verzichten auch darauf, den an sich
reizvollen Problemen der einzelnen juristischen „Fälle“ um ihrer selbst
willen nachzugehen. Ein solcher Verzicht scheint uns im Interesse der
Klarheit und Präzision erforderlich und wird sich hoffentlich als förderlich
erweisen.
2 Im folgenden sind nur der Epheserbrief und natürlich auch die Pastoralbriefe
und der Hebräerbrief als unecht, der umstrittene II. Thessalonicherbrief und
der Kolosserbrief dagegen als echt behandelt. Doch würde auch ihr Fortfall an
unseren Ergebnissen im ganzen nichts ändern.
etwa gefundene Ansätze keineswegs einheitlich sein werden, sondern in
ganz verschiedene Richtungen weisen. Eben darum möchte ich die folgende
Untersuchung auf einen kleinen Ausschnitt beschränken, bei dem die
Verhältnisse für uns einzigartig glücklich gelegen sind, die Briefe des
Apostels Paulus. Die echten paulinischen Briefe2 bilden einen verhältnis-
mäßig umfangreichen Schriftenkomplex aus der frühesten Zeit des außer-
palästinensischen Christentums; sie spiegeln die wirklichen Verhältnisse
und Schwierigkeiten des damaligen Gemeindelebens vielfach und un-
mittelbar wider, zu denen der Apostel ausdrücklich Stellung nimmt; und sie
tragen dabei durchweg den Stempel seiner überragenden Gestaltungskraft,
die sich niemals mit bloß taktischen Lösungen zufrieden gibt, sondern
gerade auf eine Rechtfertigung des konkret Gebotenen aus dem Verkün-
digten und aus dem Geglaubten entscheidendes Gewicht legt; d. h. eben
die von uns gesuchte Verbindung des Praktischen mit dem Grundsätzlichen
tritt hier in geradezu musterhafter Weise ans Licht. Wenn irgendwo im
Neuen Testament (und sonstigen Urchristentum), dann muß also gerade
beim Apostel Paulus so etwas wie eine prinzipielle Grundlegung des
Kirchenrechtes erkennbar werden.
Diese Erkenntnis ist als solche natürlich nicht neu. Das, worauf es uns
jetzt ankommt, ist lediglich die strikte Begrenzung der Eragestellung. Wir
fragen im folgenden ausschließlich nach der Begründung, die Paulus seinen
wirklichen Entscheidungen für Kirche und Gemeinde gibt, d. h. nach den
systematischen Gesichtspunkten, denen er bei ihrer Beurteilung folgt, und
nach den Normen, auf die er sich dabei bezieht. Wir stellen also die allge-
mein theologische Betrachtung, mit welcher man meist etwas schnell zu
beginnen pflegt, bewußt zurück. Wir verzichten auch darauf, den an sich
reizvollen Problemen der einzelnen juristischen „Fälle“ um ihrer selbst
willen nachzugehen. Ein solcher Verzicht scheint uns im Interesse der
Klarheit und Präzision erforderlich und wird sich hoffentlich als förderlich
erweisen.
2 Im folgenden sind nur der Epheserbrief und natürlich auch die Pastoralbriefe
und der Hebräerbrief als unecht, der umstrittene II. Thessalonicherbrief und
der Kolosserbrief dagegen als echt behandelt. Doch würde auch ihr Fortfall an
unseren Ergebnissen im ganzen nichts ändern.