Die Begründung kirchlicher Entscheidungen beim Apostel Paidus
13
stellen als solche ihrer Herkunft, ihrer Geltung und ihrem Sinn nach
kein Problem dar, das auch nur ansatzweise erörtert würde. Das, was der
Apostel gelehrt und gefordert hat, ist das selbstverständlich Gegebene
und Gewiesene, das die Gläubigen annehmen und befolgen und gegen-
über säumigen Mitgliedern notfalls auch durchsetzen müssen. Irgend-
welche grundsätzlichen Schwierigkeiten darüber hinaus sind noch nicht
aufgetaucht.
II.
In den etwa fünf Jahre jüngeren Korintherbriefen ist das anders ge-
worden. Zwar sind auch die Korinther durch Paulus bekehrt und sehen
in ihm ihren verehrten und geliebten „Vater“, der über das geistliche
Gedeihen seiner „Kinder“ zu wachen hat17. Sie wenden sich mit ihren
Nöten und Problemen noch immer an ihn und legen ihm alle Fragen zur
Entscheidung vor. Aber die Korinther fühlen sich trotzdem nicht mehr
als unselbständige Anfänger im Christentum. Im Laufe weniger Jahre
hat sich die Gemeinde schnell und ungleichmäßig entwickelt, hat von
verschiedenen Seiten Anregungen aufgenommen und ein starkes geist-
liches Selbstbewußtsein gewonnen, zu dem sie sich gerade im Sinne des
Paulus berechtigt fühlt. Ihre Führer pochen jetzt auf ihre Unabhängigkeit
und eigene „Erkenntnis“ und berufen sich auch auf auswärtige Autori-
täten. Mißhelligkeiten und Verstimmungen sind nicht ausgeblieben; Pau-
lus muß im Ersten Korintherbrief ihre Anmaßung und ihren Parteigeist
kritisieren, und nach dem Zweiten sind sogar seine eigene apostolische
Autorität und Stellung in Zweifel gezogen worden und offensichtlich
bedroht.
Unter diesen Umständen stellt Paulus sein eigenes Urteil nicht mehr
mit der alten, unbekümmerten Selbstverständlichkeit heraus, damit es
befolgt werde. Er kann und will dem religiösen Dünkel und Geltungs-
bedürfnis in der Gemeinde nicht so begegnen, daß er sich seinerseits ein-
fach auf seine geistliche Überlegenheit und seine „Rechte“ beruft, obgleich
er auf diesem Wege äußerlich wahrscheinlich sehr viel schneller ans Ziel
gekommen wäre18. Vielmehr soll das, was er sagt und wünscht, auch un-
abhängig von seiner Person als richtig anerkannt und befolgt werden.
17 I. Kor. 3,1; 4, 14 f.; II. Kor. 6, 13; 12,14; vgl. Gal. 4, 19; Phil. 2, 22; I. Thess.
2,7.11.
18 Die Dialektik des apostolischen Vollmachtsanspruchs, die sich von hier aus
entfaltet, braucht in unserem Zusammenhang nicht weiter verfolgt zu werden;
vgl. H. v. Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den
ersten drei Jahrhunderten (1953) 32 ff.
13
stellen als solche ihrer Herkunft, ihrer Geltung und ihrem Sinn nach
kein Problem dar, das auch nur ansatzweise erörtert würde. Das, was der
Apostel gelehrt und gefordert hat, ist das selbstverständlich Gegebene
und Gewiesene, das die Gläubigen annehmen und befolgen und gegen-
über säumigen Mitgliedern notfalls auch durchsetzen müssen. Irgend-
welche grundsätzlichen Schwierigkeiten darüber hinaus sind noch nicht
aufgetaucht.
II.
In den etwa fünf Jahre jüngeren Korintherbriefen ist das anders ge-
worden. Zwar sind auch die Korinther durch Paulus bekehrt und sehen
in ihm ihren verehrten und geliebten „Vater“, der über das geistliche
Gedeihen seiner „Kinder“ zu wachen hat17. Sie wenden sich mit ihren
Nöten und Problemen noch immer an ihn und legen ihm alle Fragen zur
Entscheidung vor. Aber die Korinther fühlen sich trotzdem nicht mehr
als unselbständige Anfänger im Christentum. Im Laufe weniger Jahre
hat sich die Gemeinde schnell und ungleichmäßig entwickelt, hat von
verschiedenen Seiten Anregungen aufgenommen und ein starkes geist-
liches Selbstbewußtsein gewonnen, zu dem sie sich gerade im Sinne des
Paulus berechtigt fühlt. Ihre Führer pochen jetzt auf ihre Unabhängigkeit
und eigene „Erkenntnis“ und berufen sich auch auf auswärtige Autori-
täten. Mißhelligkeiten und Verstimmungen sind nicht ausgeblieben; Pau-
lus muß im Ersten Korintherbrief ihre Anmaßung und ihren Parteigeist
kritisieren, und nach dem Zweiten sind sogar seine eigene apostolische
Autorität und Stellung in Zweifel gezogen worden und offensichtlich
bedroht.
Unter diesen Umständen stellt Paulus sein eigenes Urteil nicht mehr
mit der alten, unbekümmerten Selbstverständlichkeit heraus, damit es
befolgt werde. Er kann und will dem religiösen Dünkel und Geltungs-
bedürfnis in der Gemeinde nicht so begegnen, daß er sich seinerseits ein-
fach auf seine geistliche Überlegenheit und seine „Rechte“ beruft, obgleich
er auf diesem Wege äußerlich wahrscheinlich sehr viel schneller ans Ziel
gekommen wäre18. Vielmehr soll das, was er sagt und wünscht, auch un-
abhängig von seiner Person als richtig anerkannt und befolgt werden.
17 I. Kor. 3,1; 4, 14 f.; II. Kor. 6, 13; 12,14; vgl. Gal. 4, 19; Phil. 2, 22; I. Thess.
2,7.11.
18 Die Dialektik des apostolischen Vollmachtsanspruchs, die sich von hier aus
entfaltet, braucht in unserem Zusammenhang nicht weiter verfolgt zu werden;
vgl. H. v. Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den
ersten drei Jahrhunderten (1953) 32 ff.