I.
Es versteht sich nach dem Gesagten von selbst, daß wir unsere Auf-
merksamkeit vor allen Dingen dem Ersten Korintherbrief zuwenden müs-
sen, in dem Paulus so viele Fragen des praktischen Gemeindelebens zu
beantworten und zu regeln hat und das Recht dieser Regelungen mehr
oder weniger ausführlich auch zu begründen sucht. Die thematischen Aus-
führungen über das „Gesetz“ im Römer- und im Galaterbrief sind dem-
gegenüber weit weniger ergiebig, obschon sie unsere Ergebnisse bestätigen
können. Zunächst mag es geraten sein, noch einen Blick auf die beiden äl-
testen erhaltenen Paulusbriefe zu werfen, das erste und zweite Schreiben
an die Thessalonicher, weil sie uns das allgemeine missionarische Ver-
hältnis, in dem Paulus zu seinen Gemeinden steht, besonders schön ver-
gegenwärtigen können. Wir verstehen dann ohne weiteres, wie Paulus
dazu kommt, bestimmte nicht nur „theologisch“, sondern auch „kirchen-
rechtlich“ bedeutsame Weisungen aufzustellen3, und sind davor geschützt,
hinter der selbstverständlichen Vollmacht, mit der er dabei spricht, gleich
ein schwieriges Problem zu finden4.
Der Erste Thessalonicherbrief ist geschrieben, unmittelbar nachdem
Paulus die eben gegründete Gemeinde wieder verlassen hat. Er atmet noch
die frische Unmittelbarkeit des jungen geistlichen Verhältnisses, das frohe
Vertrauen auf die kleine, ihm anhängende Schar der Gläubigen, für die
seine Verkündigung zur Mitte ihres Lebens geworden ist. Der Brief hat
keinen anderen Zweck, als diese Verbundenheit und die Sicherheit des
geistlichen Besitzes bei den Thessalonichern zu stärken, und hat darin,
wie Paulus weiß (5,27), eine große und feierliche Bedeutung. Paulus ist
ja, wie es nicht anders sein kann, für sie die maßgebende Autorität, und
die Botschaft, die er ihnen gebracht hat, ist in allen Fragen ihres Glaubens
und Lebens Norm und Quelle der Erkenntnis geworden. Paulus, heißt es,
ist für die Thessalonicher das Vorbild an Christi statt (1,6)5, und sie
3 Zum folgenden vgl. besonders C. H. Dodd, Gospel and Law, The Relation
of Faith and Ethics in early Christianity (19533) 12 ff.
4 Das besondere apostolische Berufungsbewußtsein, das Paulus erfüllt, soll da-
mit nicht geleugnet sein; aber wir brauchen es nicht stärker zu betonen, als er
es selbst getan hat.
5 Vgl. II. Thess. 3,7; I. Kor. 4,16: II. Kor. 8,5; Gal. 4,12; Phil. 3,17.
Es versteht sich nach dem Gesagten von selbst, daß wir unsere Auf-
merksamkeit vor allen Dingen dem Ersten Korintherbrief zuwenden müs-
sen, in dem Paulus so viele Fragen des praktischen Gemeindelebens zu
beantworten und zu regeln hat und das Recht dieser Regelungen mehr
oder weniger ausführlich auch zu begründen sucht. Die thematischen Aus-
führungen über das „Gesetz“ im Römer- und im Galaterbrief sind dem-
gegenüber weit weniger ergiebig, obschon sie unsere Ergebnisse bestätigen
können. Zunächst mag es geraten sein, noch einen Blick auf die beiden äl-
testen erhaltenen Paulusbriefe zu werfen, das erste und zweite Schreiben
an die Thessalonicher, weil sie uns das allgemeine missionarische Ver-
hältnis, in dem Paulus zu seinen Gemeinden steht, besonders schön ver-
gegenwärtigen können. Wir verstehen dann ohne weiteres, wie Paulus
dazu kommt, bestimmte nicht nur „theologisch“, sondern auch „kirchen-
rechtlich“ bedeutsame Weisungen aufzustellen3, und sind davor geschützt,
hinter der selbstverständlichen Vollmacht, mit der er dabei spricht, gleich
ein schwieriges Problem zu finden4.
Der Erste Thessalonicherbrief ist geschrieben, unmittelbar nachdem
Paulus die eben gegründete Gemeinde wieder verlassen hat. Er atmet noch
die frische Unmittelbarkeit des jungen geistlichen Verhältnisses, das frohe
Vertrauen auf die kleine, ihm anhängende Schar der Gläubigen, für die
seine Verkündigung zur Mitte ihres Lebens geworden ist. Der Brief hat
keinen anderen Zweck, als diese Verbundenheit und die Sicherheit des
geistlichen Besitzes bei den Thessalonichern zu stärken, und hat darin,
wie Paulus weiß (5,27), eine große und feierliche Bedeutung. Paulus ist
ja, wie es nicht anders sein kann, für sie die maßgebende Autorität, und
die Botschaft, die er ihnen gebracht hat, ist in allen Fragen ihres Glaubens
und Lebens Norm und Quelle der Erkenntnis geworden. Paulus, heißt es,
ist für die Thessalonicher das Vorbild an Christi statt (1,6)5, und sie
3 Zum folgenden vgl. besonders C. H. Dodd, Gospel and Law, The Relation
of Faith and Ethics in early Christianity (19533) 12 ff.
4 Das besondere apostolische Berufungsbewußtsein, das Paulus erfüllt, soll da-
mit nicht geleugnet sein; aber wir brauchen es nicht stärker zu betonen, als er
es selbst getan hat.
5 Vgl. II. Thess. 3,7; I. Kor. 4,16: II. Kor. 8,5; Gal. 4,12; Phil. 3,17.