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Hans Frhr. von Campenhausen
minder konkret gemeinte Mahnung zur „Bruderliebe“, d. h. zur prak-
tischen Hilfeleistung für die Mitchristen (4,9 f.), und die Verpflichtung
zu einem ruhigen und arbeitsamen Leben, das vor unerwünschten Ver-
wicklungen mit der heidnischen Umwelt bewahren soll (4,11 f.). Nachdem
eine spezielle Frage über das Schicksal der verstorbenen Christen geklärt
ist (4,13—18), kommt Paulus zum Abschluß noch einmal auf die Wieder-
kunft Christi zu sprechen, die plötzlich und unvorhergesehen herein-
brechen wird und bis dahin alle „Kinder des Lichts“ zu einem reinen und
wachsamen Wandel verpflichtet (5, 1 —11). Der letzte Punkt, die gebüh-
rende „Beachtung“ der führenden Gemeindeglieder (5, 12 f)8, scheint
dagegen nicht mehr zur bekannten Standardüberlieferung zu gehören.
Paulus fügt ihn von sich aus als besondere Bitte hinzu9 und geht dann
zu allgemeiner gehaltenen Schlußmahnungen über.
Die ursprüngliche Missionsverkündigung erscheint also durchweg als
das Fundament, auf dem der Apostel weiterbaut. Nur an einer Stelle, wo
er zu der inzwischen aufgetauchten Frage nach den „Entschlafenen“ einen
Nachtrag bringen muß, sucht er nach einer darüber hinaus gehenden
Sicherung: Paulus betont, daß seine Stellungnahme ev Äoycp xuplou er-
folge (4,15). Sie stellt also keine willkürliche Erfindung aus diesem Anlaß
dar, sondern beruht auf einer Lehre oder Aussage des Herrn Christus
selber. Sie ist Paulus vermutlich auf Grund irgendeiner älteren Tradition
zugeflossen10. Als Lehre des Herrn ist diese Kunde natürlich von vorn-
herein über jeden Zweifel erhaben.
Die Entstehungsverhältnisse des Zweiten Thessalonicherbriefes sind
schwer zu klären* 11, aber er muß im Falle der Echtheit sehr bald nach dem
ersten entstanden sein. Auch hier geht es Paulus darum, die frühere
Missionverkündigung fortzuführen und sie gleichzeitig unter neuen Ge-
8 vgl. Gal. 6,6.
9 Vgl. das einleitende epcoTtögev öe üpäg, aöeXcpol im Gegensatz zur sonst geüb-
ten Betonung, daß die Thessalonicher die behandelten Dinge ja schon von
früher her „wüßten“: 4,1.9.11.; 5,2.
10 Hätte er sie auf Grund irgendeiner persönlichen Offenbarung oder Erleuchtung
empfangen, so hätte das in diesem Falle gesagt werden müssen. Eine derartige
Auslegung ist heute darum mit Recht fast allgemein aufgegeben; nur E. Benz,
Paulus als Visionär (1952), hat sie ohne Auseinandersetzung und nähere
Begründung neuerdings wieder vertreten.
11 Er stimmt auf weite Strecken fast wörtlich mit dem Ersten Briefe überein,
läßt sich aber mit seinen vielfachen, meist ganz leisen Verschiebungen, die
keineswegs alle grob tendenziös sein können und doch unter sich Zusammen-
hängen, durch die Annahme einer dann sehr frechen (3,17) Fälschung m. E.
noch weniger verständlich machen. Diese bleibt nur so lange bequem, als
man sich daraufhin berechtigt fühlt, nach ihren konkreten Voraussetzungen
nicht mehr zu fragen. Anders zuletzt H. Braun, Zur nachpaulinischen Her-
kunft des zweiten Thessalonicherbriefes, Zeitschr. für neutest. Wissensch.
44 (1952/53) 152 ff.
Hans Frhr. von Campenhausen
minder konkret gemeinte Mahnung zur „Bruderliebe“, d. h. zur prak-
tischen Hilfeleistung für die Mitchristen (4,9 f.), und die Verpflichtung
zu einem ruhigen und arbeitsamen Leben, das vor unerwünschten Ver-
wicklungen mit der heidnischen Umwelt bewahren soll (4,11 f.). Nachdem
eine spezielle Frage über das Schicksal der verstorbenen Christen geklärt
ist (4,13—18), kommt Paulus zum Abschluß noch einmal auf die Wieder-
kunft Christi zu sprechen, die plötzlich und unvorhergesehen herein-
brechen wird und bis dahin alle „Kinder des Lichts“ zu einem reinen und
wachsamen Wandel verpflichtet (5, 1 —11). Der letzte Punkt, die gebüh-
rende „Beachtung“ der führenden Gemeindeglieder (5, 12 f)8, scheint
dagegen nicht mehr zur bekannten Standardüberlieferung zu gehören.
Paulus fügt ihn von sich aus als besondere Bitte hinzu9 und geht dann
zu allgemeiner gehaltenen Schlußmahnungen über.
Die ursprüngliche Missionsverkündigung erscheint also durchweg als
das Fundament, auf dem der Apostel weiterbaut. Nur an einer Stelle, wo
er zu der inzwischen aufgetauchten Frage nach den „Entschlafenen“ einen
Nachtrag bringen muß, sucht er nach einer darüber hinaus gehenden
Sicherung: Paulus betont, daß seine Stellungnahme ev Äoycp xuplou er-
folge (4,15). Sie stellt also keine willkürliche Erfindung aus diesem Anlaß
dar, sondern beruht auf einer Lehre oder Aussage des Herrn Christus
selber. Sie ist Paulus vermutlich auf Grund irgendeiner älteren Tradition
zugeflossen10. Als Lehre des Herrn ist diese Kunde natürlich von vorn-
herein über jeden Zweifel erhaben.
Die Entstehungsverhältnisse des Zweiten Thessalonicherbriefes sind
schwer zu klären* 11, aber er muß im Falle der Echtheit sehr bald nach dem
ersten entstanden sein. Auch hier geht es Paulus darum, die frühere
Missionverkündigung fortzuführen und sie gleichzeitig unter neuen Ge-
8 vgl. Gal. 6,6.
9 Vgl. das einleitende epcoTtögev öe üpäg, aöeXcpol im Gegensatz zur sonst geüb-
ten Betonung, daß die Thessalonicher die behandelten Dinge ja schon von
früher her „wüßten“: 4,1.9.11.; 5,2.
10 Hätte er sie auf Grund irgendeiner persönlichen Offenbarung oder Erleuchtung
empfangen, so hätte das in diesem Falle gesagt werden müssen. Eine derartige
Auslegung ist heute darum mit Recht fast allgemein aufgegeben; nur E. Benz,
Paulus als Visionär (1952), hat sie ohne Auseinandersetzung und nähere
Begründung neuerdings wieder vertreten.
11 Er stimmt auf weite Strecken fast wörtlich mit dem Ersten Briefe überein,
läßt sich aber mit seinen vielfachen, meist ganz leisen Verschiebungen, die
keineswegs alle grob tendenziös sein können und doch unter sich Zusammen-
hängen, durch die Annahme einer dann sehr frechen (3,17) Fälschung m. E.
noch weniger verständlich machen. Diese bleibt nur so lange bequem, als
man sich daraufhin berechtigt fühlt, nach ihren konkreten Voraussetzungen
nicht mehr zu fragen. Anders zuletzt H. Braun, Zur nachpaulinischen Her-
kunft des zweiten Thessalonicherbriefes, Zeitschr. für neutest. Wissensch.
44 (1952/53) 152 ff.