Die Begründung kirchlicher Entscheidungen beim Apostel Paulus
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sichtspunkten zu ergänzen. Paulus sucht insbesondere eine allzu hitzige
Erwartung des nahen Weitendes zu dämpfen (2, 1 —12) und rügt gleich-
zeitig gewisse arbeitsscheue Herumtreiber, von denen er neuerdings gehört
hat (3,6—15). Es scheint, daß sie die apokalyptische Naherwartung zum
Anlaß oder zur Entschuldigung ihres Müßiggangs nahmen12. Jedenfalls
greift Paulus auch jetzt wieder auf seine früheren Belehrungen zurück,
sucht ihnen aber nunmehr eine Interpretation zu geben, die die gefähr-
lichen Auswirkungen verhindert. Schon früher, noch zur Zeit seiner An-
wesenheit unter den Thessalonichern (2,5), will er diesen auseinander-
gesetzt haben, daß die letzten Dinge in bestimmten Etappen verlaufen
werden und daß insbesondere der später so genannte „Antichrist“ zuvor
auftreten müsse, ehe der Herr selbst wiedererscheint. So eilig, wie sie jetzt
meinen, ist das Ende nun also doch wieder nicht da, und danach gilt es
sich zu richten (2,2)13.
Was die arbeitsscheuen Elemente anlangt, so erteilt Paulus jetzt kurzer-
hand eine neue und unmittelbare „Weisung“14: man soll mit ihnen den
Verkehr abbrechen (3,6) und sie schlimmstenfalls so lange „schneiden“,
bis sie sich eines besseren besonnen haben. Aber es ist für seine Art be-
zeichnend, wie er sich in demselben Augenblick auch darum bemüht, den
Sinn seiner Maßnahme zu begründen und sittlich verständlich zu machen:
der Bummler soll durch dies Verfahren nicht zum „Feinde“ gestempelt,
sondern nur in brüderlichem Geiste zur Umkehr gebracht werden (3,14f.).
Der Grundsatz, um den es sich dabei handelt, steht gleichwohl fest:
die Thessalonicher „wissen es selbst“, daß auch Paulus mit eigener Hände
Arbeit sein Brot verdient habe, um ihnen ein Vorbild zu geben (3, 7—9)15.
12 Die Verzögerungen des Weltunterganges und die Polemik gegen die Faulen
sind die einzigen neuen Themen, die der Zweite Thessalonicherbrief über den
Ersten hinaus ins Auge faßt, und es liegt darum nahe, beide Stücke mitein-
ander zu verbinden. Paulus selbst tut dies allerdings nicht.
18 Man beachte, daß Paulus hier nicht, wie es ein moderner Theologe getan hätte,
die eschatologische „Haltung“ als solche beschreibt; sie ergibt sich für ihn noch
wie von selbst, wenn der objektiv-apokalyptische Inhalt seiner Verkündigung
begriffen ist. Paulus mahnt die Thessalonicher nicht, zwischen bequemer Sicher-
heit und nervöser Unruhe in ihrer hoffnungsvollen Erwartung die rechte
Mitte zu halten, sondern es genügt ihm, das feste mythologische Schema, das
er sie gelehrt hat, jetzt nur in eine etwas andere Beleuchtung zu rücken.
14 Zur Bedeutung von naQayyzXXeiy vgl. O. Schmitz, Art. naQayyEk'keiv
im Theol. Wörterbuch z.N.T. V, 759 ff. Das naQayyäX'kon.ev an dieser Stelle (vgl
3,4.10.12) entspricht den jtapaYYeVi.ai von I. Thess. 4,2.
15 Paulus stellt hier seine bekannte Entscheidung, von seinen Gemeinden keine
Unterstützung anzunehmen, in einer neuen, ausgesprochen „pädagogischen“
Interpretation hin. Im Ersten Thessalonicherbrief hatte er dies Verhalten
noch nicht als „Vorbild“, sondern nur als Ausdruck selbstlos-liebevoller Ge-
sinnung angesehen (I. Thess. 2,5 ff.), und wir wissen, daß er es in anderen
Briefen noch anders gedeutet hat; vgl. I. Kor. 9, 41 ff.; II. Kor. 11, 7 ff.; 12,13 ff.;
Phil. 4,10 ff.
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sichtspunkten zu ergänzen. Paulus sucht insbesondere eine allzu hitzige
Erwartung des nahen Weitendes zu dämpfen (2, 1 —12) und rügt gleich-
zeitig gewisse arbeitsscheue Herumtreiber, von denen er neuerdings gehört
hat (3,6—15). Es scheint, daß sie die apokalyptische Naherwartung zum
Anlaß oder zur Entschuldigung ihres Müßiggangs nahmen12. Jedenfalls
greift Paulus auch jetzt wieder auf seine früheren Belehrungen zurück,
sucht ihnen aber nunmehr eine Interpretation zu geben, die die gefähr-
lichen Auswirkungen verhindert. Schon früher, noch zur Zeit seiner An-
wesenheit unter den Thessalonichern (2,5), will er diesen auseinander-
gesetzt haben, daß die letzten Dinge in bestimmten Etappen verlaufen
werden und daß insbesondere der später so genannte „Antichrist“ zuvor
auftreten müsse, ehe der Herr selbst wiedererscheint. So eilig, wie sie jetzt
meinen, ist das Ende nun also doch wieder nicht da, und danach gilt es
sich zu richten (2,2)13.
Was die arbeitsscheuen Elemente anlangt, so erteilt Paulus jetzt kurzer-
hand eine neue und unmittelbare „Weisung“14: man soll mit ihnen den
Verkehr abbrechen (3,6) und sie schlimmstenfalls so lange „schneiden“,
bis sie sich eines besseren besonnen haben. Aber es ist für seine Art be-
zeichnend, wie er sich in demselben Augenblick auch darum bemüht, den
Sinn seiner Maßnahme zu begründen und sittlich verständlich zu machen:
der Bummler soll durch dies Verfahren nicht zum „Feinde“ gestempelt,
sondern nur in brüderlichem Geiste zur Umkehr gebracht werden (3,14f.).
Der Grundsatz, um den es sich dabei handelt, steht gleichwohl fest:
die Thessalonicher „wissen es selbst“, daß auch Paulus mit eigener Hände
Arbeit sein Brot verdient habe, um ihnen ein Vorbild zu geben (3, 7—9)15.
12 Die Verzögerungen des Weltunterganges und die Polemik gegen die Faulen
sind die einzigen neuen Themen, die der Zweite Thessalonicherbrief über den
Ersten hinaus ins Auge faßt, und es liegt darum nahe, beide Stücke mitein-
ander zu verbinden. Paulus selbst tut dies allerdings nicht.
18 Man beachte, daß Paulus hier nicht, wie es ein moderner Theologe getan hätte,
die eschatologische „Haltung“ als solche beschreibt; sie ergibt sich für ihn noch
wie von selbst, wenn der objektiv-apokalyptische Inhalt seiner Verkündigung
begriffen ist. Paulus mahnt die Thessalonicher nicht, zwischen bequemer Sicher-
heit und nervöser Unruhe in ihrer hoffnungsvollen Erwartung die rechte
Mitte zu halten, sondern es genügt ihm, das feste mythologische Schema, das
er sie gelehrt hat, jetzt nur in eine etwas andere Beleuchtung zu rücken.
14 Zur Bedeutung von naQayyzXXeiy vgl. O. Schmitz, Art. naQayyEk'keiv
im Theol. Wörterbuch z.N.T. V, 759 ff. Das naQayyäX'kon.ev an dieser Stelle (vgl
3,4.10.12) entspricht den jtapaYYeVi.ai von I. Thess. 4,2.
15 Paulus stellt hier seine bekannte Entscheidung, von seinen Gemeinden keine
Unterstützung anzunehmen, in einer neuen, ausgesprochen „pädagogischen“
Interpretation hin. Im Ersten Thessalonicherbrief hatte er dies Verhalten
noch nicht als „Vorbild“, sondern nur als Ausdruck selbstlos-liebevoller Ge-
sinnung angesehen (I. Thess. 2,5 ff.), und wir wissen, daß er es in anderen
Briefen noch anders gedeutet hat; vgl. I. Kor. 9, 41 ff.; II. Kor. 11, 7 ff.; 12,13 ff.;
Phil. 4,10 ff.