Die Ostergeschichten haben wie immer so auch im letzten Menschenalter
die Wissenschaft beschäftigt, und die allgemeinen Fortschritte in der Er-
forschung des Urchristentums sind dieser Arbeit naturgemäß zugute ge-
kommen. Mir scheint aber, daß über den mancherlei literaturgeschicht-
lichen, traditionsgeschichtlichen, motivgeschichtlichen und formgeschicht-
lichen Untersuchungen die Frage nach dem einfach Geschichtlichen über
Gebühr zurückgetreten ist, d. h. die Frage nach dem geschichtlichen Kern
dessen, was die Überlieferung historisch bezeugt1. Das Interesse an den
Ostergeschichten droht die Ostergeschichte zu verdecken. Aber die philo-
logische Arbeit, die bei der Beurteilung der Quellen selbstverständlich
das erste Wort hat und behalten muß, darf nicht dazu führen, daß die
eigentlich historische Frage nach dem Gewesenen, nach dem wirklichen
Ablauf und nach dem inneren Zusammenhang des Geschehenen zweit-
rangig erscheint und womöglich gar als banausisch an den Rand geschoben
wird. Berechtigte kritische Bedenken gegen einen naiven Psychologismus
und Historismus haben uns in der direkten Ausbeutung und Ausdeutung
der alten Texte zurückhaltend gemacht; aber sie dispensieren noch nicht
von der Aufgabe, auf Grund einer besseren und vorsichtiger gehandhabten
Methode die alte, unausweichliche Frage des Historikers von neuem zu
stellen und auch zu beantworten, d. h. auszumachen, wieweit und mit wel-
chem Grade von Wahrscheinlichkeit die tatsächlichen Geschehnisse und
ihr Ablauf noch zu ermitteln sind2.
1 „Sowie es gilt, die geschichtliche Ursache der Tradition literarischen Gutes zu
ermitteln, beginnt die verschiedene Meinung“, sagt E. Fascher schon 1927 mit
Recht: Die Auferstehung Jesu und ihr Verhältnis zur urchristlichen Verkün-
digung, Zeitschr. f. neutest. Wissensch. 26 (1927) 4.
2 Der letzte große Versuch in dieser Richtung, die Darstellung Ed. Meyers,
Ursprung und Anfänge des Christentums I (1921), II (1923), litt unter einer
schon damals etwas veralteten Methode der Quellenkritik und verstärkte be-
sonders unter den Theologen, die seiner Leistung nicht immer gerecht ge-
worden sind, das Mißtrauen gegen diese Art des Vorgehens überhaupt. Em.
Hirsch, Die Auferstehungsgeschichte und der christliche Glaube (1940), er-
schien unter unglücklichen theologischen Auspizien und wurde vorzüglich von
hier aus beachtet. Die folgende Untersuchung kommt seinen historischen Er-
gebnissen nah, hofft sie aber breiter und vorsichtiger begründen zu können.
Heute wird die historische (wie die systematische) Diskussion der Auferste-
hungsprobleme vor allem bei dem großen Werk einsetzen müssen, das Hans
Grass den Osterereignissen gewidmet hat: Ostergeschehen und Osterberichte
(1956). Es setzt sich wiederholt mit den Aufstellungen dieser Studie (in ihrer
ersten Auflage) auseinander und gelangt dabei zu einer wesentlich negative-
ren Beurteilung des Quellenwerts der Überlieferung, besonders der Grabes-
geschichten. Ich freue mich der weitgehenden Übereinstimmung, die trotzdem
methodisch und auch sachlich zwischen uns besteht, und versuche, der gründ-
lichen Kritik nach Möglichkeit Rechnung zu tragen, auch wenn sie mich im
die Wissenschaft beschäftigt, und die allgemeinen Fortschritte in der Er-
forschung des Urchristentums sind dieser Arbeit naturgemäß zugute ge-
kommen. Mir scheint aber, daß über den mancherlei literaturgeschicht-
lichen, traditionsgeschichtlichen, motivgeschichtlichen und formgeschicht-
lichen Untersuchungen die Frage nach dem einfach Geschichtlichen über
Gebühr zurückgetreten ist, d. h. die Frage nach dem geschichtlichen Kern
dessen, was die Überlieferung historisch bezeugt1. Das Interesse an den
Ostergeschichten droht die Ostergeschichte zu verdecken. Aber die philo-
logische Arbeit, die bei der Beurteilung der Quellen selbstverständlich
das erste Wort hat und behalten muß, darf nicht dazu führen, daß die
eigentlich historische Frage nach dem Gewesenen, nach dem wirklichen
Ablauf und nach dem inneren Zusammenhang des Geschehenen zweit-
rangig erscheint und womöglich gar als banausisch an den Rand geschoben
wird. Berechtigte kritische Bedenken gegen einen naiven Psychologismus
und Historismus haben uns in der direkten Ausbeutung und Ausdeutung
der alten Texte zurückhaltend gemacht; aber sie dispensieren noch nicht
von der Aufgabe, auf Grund einer besseren und vorsichtiger gehandhabten
Methode die alte, unausweichliche Frage des Historikers von neuem zu
stellen und auch zu beantworten, d. h. auszumachen, wieweit und mit wel-
chem Grade von Wahrscheinlichkeit die tatsächlichen Geschehnisse und
ihr Ablauf noch zu ermitteln sind2.
1 „Sowie es gilt, die geschichtliche Ursache der Tradition literarischen Gutes zu
ermitteln, beginnt die verschiedene Meinung“, sagt E. Fascher schon 1927 mit
Recht: Die Auferstehung Jesu und ihr Verhältnis zur urchristlichen Verkün-
digung, Zeitschr. f. neutest. Wissensch. 26 (1927) 4.
2 Der letzte große Versuch in dieser Richtung, die Darstellung Ed. Meyers,
Ursprung und Anfänge des Christentums I (1921), II (1923), litt unter einer
schon damals etwas veralteten Methode der Quellenkritik und verstärkte be-
sonders unter den Theologen, die seiner Leistung nicht immer gerecht ge-
worden sind, das Mißtrauen gegen diese Art des Vorgehens überhaupt. Em.
Hirsch, Die Auferstehungsgeschichte und der christliche Glaube (1940), er-
schien unter unglücklichen theologischen Auspizien und wurde vorzüglich von
hier aus beachtet. Die folgende Untersuchung kommt seinen historischen Er-
gebnissen nah, hofft sie aber breiter und vorsichtiger begründen zu können.
Heute wird die historische (wie die systematische) Diskussion der Auferste-
hungsprobleme vor allem bei dem großen Werk einsetzen müssen, das Hans
Grass den Osterereignissen gewidmet hat: Ostergeschehen und Osterberichte
(1956). Es setzt sich wiederholt mit den Aufstellungen dieser Studie (in ihrer
ersten Auflage) auseinander und gelangt dabei zu einer wesentlich negative-
ren Beurteilung des Quellenwerts der Überlieferung, besonders der Grabes-
geschichten. Ich freue mich der weitgehenden Übereinstimmung, die trotzdem
methodisch und auch sachlich zwischen uns besteht, und versuche, der gründ-
lichen Kritik nach Möglichkeit Rechnung zu tragen, auch wenn sie mich im