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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0030
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Hans Frhr. von Campenhausen

der Bericht nicht wohl in Zweifel ziehen. Aber ehe wir uns der Frage sei-
nes geschichtlichen Wertes oder Unwertes von neuem zuwenden, ist es zur
Sicherung des Bisherigen erforderlich, daß wir für die Schlußworte des
Evangeliums unsererseits eine brauchbare Erklärung finden; denn ihre
Seltsamkeit ist in der Tat nicht zu leugnen. Dazu ist es nötig, etwas weiter
auszuholen und die anderen Berichte über das leere Grab auch noch ins
Auge zu fassen.

Ilb.
Das Matthäusevangelium ist im allgemeinen und besonders auch in der
Lokalisierung der Auferstehungsbegegnungen nach Galiläa der Markus-
überlieferung gefolgt. Trotzdem hängt es der Erzählung vom leeren Grabe
schon eine erste Erscheinung Jesu vor den Frauen an98 (während Lukas
etwas Derartiges ausdrücklich in Abrede stellt99). Eine andere, umfang-
reiche Erweiterung trägt apologetischen Charakter; das ist der Bericht
über die Grabeswächter und den Betrug der jüdischen Hierarchen. Über
das Motiv dieser Erzählungen gibt das Evangelium selbst Auskunft.
Nachdem, heißt es, die Entdeckung des leeren Grabes bekannt geworden
war, hätten die Hohenpriester und Ältesten die Lüge aufgebracht, der
Leichnam sei nachts von den Jüngern selbst gestohlen worden, „und diese
Erzählung wurde unter den Juden allgemein verbreitet bis auf den heu-
tigen Tag“100. Diese feindliche Erfindung soll durch die Geschichte von den
Grabeswächtern nunmehr widerlegt werden; sie soll zeigen, daß ein Lei-

98 Sie ist hier besonders verständlich; denn die späteren galiläischen Erscheinun-
gen Jesu werden bei Matthäus nur in einer einzigen, großen Szene zusammen-
gefaßt, die ganz im Zeichen der himmlischen Inthronisation und Jüngersendung
steht; vgl. E. Lohmeyer, „Mir ist gegeben alle Gewalt“, In memoriam Ernst
Lohmeyer (1951) 9ff. So kommt das Moment des Wiedersehens und freudigen
Wiedererkennens nur in der lyrisch gehaltenen Begegnung gegenüber den
Frauen zur Wirkung. Als ein Ersatz für die Petrusbegegnung, wie Brun S. 34
will, läßt sie sich nicht verstehen. Der Auftrag, den Jesus 28, 10 den Frauen
erteilt, ist hier vielmehr eine offensichtliche Dublette zu den Worten des En-
gels 28, 7. Die Szene könnte also ursprünglich wohl als ein Ersatz für die
Engelsszene entstanden sein, mit der sie jetzt (nach der Markusvorlage) kom-
biniert erscheint. Das Johannesevangelium ist in dieser Richtung noch einen
Schritt weiter gegangen; Christus allein vollzieht 20, 17 die Aufklärung und
Beauftragung Maria Magdalenas, und die nach der älteren Tradition beibehal-
tenen — hier zwei — Engel stellen zwar 20, 13 noch die gleiche Frage wie er,
sind im übrigen aber im Grunde überflüssig und funktionslos geworden.
99 Lk. 24, 24. Erst von Matthäus aus wird das Schweigen des Paulus über die
vermeintliche Christusbegegnung der Frauen I. Kor. 15, 4 überhaupt zum
Problem, dem man dann mit überflüssiger Gelehrsamkeit durch den Hinweis
beizukommen sucht, die Frauen seien nach jüdischem Recht ja nicht zeugnis-
fähig gewesen und darum von dem jüdisch geschulten Paulus absichtlich über-
gangen worden (so Hirsch, Kittel, Stauffer, Stählin u. a.).
100 Mt. 28, 15.
 
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