Hans Frhr. von Campenhausen
Die folgende Untersuchung ist in diesem Sinne historisch gemeint. Sie
möchte die bisher geleistete quellenkritische Arbeit daher nicht in extenso
wiederholen und hat nicht die Absicht, sich in dem weiten Feld der fort-
wuchernden Traditionsgeschichte zu verlieren* * 3. Sie möchte sich vielmehr
kurz fassen und nur das Material verwenden, das nach entsprechender kri-
tischer Sichtung brauchbar erscheint, um die äußeren Vorgänge nach Jesu
Tode zu rekonstruieren, bis hin zu den ersten Osterbegegnungen, die für
das Entstehen der Kirche schließlich entscheidend geworden sind. Ich hoffe
zeigen zu können, daß diese Rekonstruktion in den Hauptzügen durchaus
möglich ist, daß jedenfalls kein Anlaß besteht, von vornherein an der
historischen Erkennbarkeit des Wesentlichen zu verzweifeln. Das so ge-
wonnene Ergebnis kann dann, wie mir scheint, auch für das theologische
Verständnis der Auferstehungsbotschaft nicht einfach gleichgültig bleiben;
aber diese Seite der Sache laß ich in der Untersuchung selbst völlig beiseite.
I.
Die älteste und zuverlässigste Nachricht, die uns für die Ostererlebnisse
der Jünger zur Verfügung steht, ist der paulinische Bericht im fünfzehnten
Kapitel des Ersten Korintherbriefs4. Das ist allgemein zugestanden. Dieser
ganzen — wie das ja leider üblich ist — nicht recht überzeugt hat. — Aus der
älteren Literatur verdient immer noch Hervorhebung: E. v. Dobschütz, Ostern
und Pfingsten. Eine Studie zu I. Korinther 15 (1903), und in anderer Hinsicht
auch der Literaturbericht von H. J. Holtzmann, Das leere Grab und die
gegenwärtigen Verhandlungen über die Auferstehung Jesu, Theol. Rundschau
9 (1906), 79ff.; 119ff. Eine umfassende Orientierung über die neuere Literatur
bietet vom katholischen Standpunkt aus P. de Haes, La resurrection de Jesus
dans l’apologetique des cinquante dernieres annees (Rom 1953).
3 Ebenso ist es auch nicht erforderlich, die religionsgeschichtliche Frage nach den
parallelen oder andersartigen Auferstehungsmythen und -Vorstellungen der
Umwelt zu erörtern; vgl. hierzu etwa die Zusammenstellung der Quellen durch
Herb. Braun, Zeitschr. f. Theol. u. Kirche 54 (1957) 355f. und die breite Über-
sicht von A. T. Nikolainen, Der Auferstehungsglauben in der Bibel und ihrer
Umwelt I: Religionsgeschichtlicher Teil (1944), und u. Anm. 22.
4 I. Kor. 15, 1—11. Ausgangspunkt der neueren Erforschung ist hier K. Holls
berühmter Sitzungsbericht über den „Kirchenbegriff des Paulus im Verhältnis
zu dem der Urgemeinde“, Preuß. Akad. d. Wissensch. 1921, S. 920ff. (= Ges.
Aufs. z. Kirchengesch. 2 [1928] 44ff.) und daran anschließend der von rich-
tigen und falschen Gedanken überquellende Vortrag Ad. v. Harnacks, Die
Verklärungsgeschichte Jesu, der Bericht des Paulus (I. Kor. 15, 3ff.) und die
beiden Christusvisionen des Petrus, ebd. 1922, S. 62ff. Eine vorzügliche Über-
sicht und Kritik der Diskussion bietet Grass S. 94ff.; vgl. dazu noch Ed. Schwei-
zer, Das Herrenmahl im N. T., Theol. Lit. Zeitung 79 (1954) 585 Anm. 56.
E. Stauffer, Jesus. Gestalt und Geschidite (1957) 112f. versteht I. Kor. 15, 5
und I. Kor. 15, 7 im Anschluß an LIarnack als Dubletten: Paulus habe es
„nicht gewagt, die Sonderepiphanie seines großen Widersachers einfach tot-
zuschweigen“, habe sie aber dadurch „depotenzieren“ können, „daß er am
Die folgende Untersuchung ist in diesem Sinne historisch gemeint. Sie
möchte die bisher geleistete quellenkritische Arbeit daher nicht in extenso
wiederholen und hat nicht die Absicht, sich in dem weiten Feld der fort-
wuchernden Traditionsgeschichte zu verlieren* * 3. Sie möchte sich vielmehr
kurz fassen und nur das Material verwenden, das nach entsprechender kri-
tischer Sichtung brauchbar erscheint, um die äußeren Vorgänge nach Jesu
Tode zu rekonstruieren, bis hin zu den ersten Osterbegegnungen, die für
das Entstehen der Kirche schließlich entscheidend geworden sind. Ich hoffe
zeigen zu können, daß diese Rekonstruktion in den Hauptzügen durchaus
möglich ist, daß jedenfalls kein Anlaß besteht, von vornherein an der
historischen Erkennbarkeit des Wesentlichen zu verzweifeln. Das so ge-
wonnene Ergebnis kann dann, wie mir scheint, auch für das theologische
Verständnis der Auferstehungsbotschaft nicht einfach gleichgültig bleiben;
aber diese Seite der Sache laß ich in der Untersuchung selbst völlig beiseite.
I.
Die älteste und zuverlässigste Nachricht, die uns für die Ostererlebnisse
der Jünger zur Verfügung steht, ist der paulinische Bericht im fünfzehnten
Kapitel des Ersten Korintherbriefs4. Das ist allgemein zugestanden. Dieser
ganzen — wie das ja leider üblich ist — nicht recht überzeugt hat. — Aus der
älteren Literatur verdient immer noch Hervorhebung: E. v. Dobschütz, Ostern
und Pfingsten. Eine Studie zu I. Korinther 15 (1903), und in anderer Hinsicht
auch der Literaturbericht von H. J. Holtzmann, Das leere Grab und die
gegenwärtigen Verhandlungen über die Auferstehung Jesu, Theol. Rundschau
9 (1906), 79ff.; 119ff. Eine umfassende Orientierung über die neuere Literatur
bietet vom katholischen Standpunkt aus P. de Haes, La resurrection de Jesus
dans l’apologetique des cinquante dernieres annees (Rom 1953).
3 Ebenso ist es auch nicht erforderlich, die religionsgeschichtliche Frage nach den
parallelen oder andersartigen Auferstehungsmythen und -Vorstellungen der
Umwelt zu erörtern; vgl. hierzu etwa die Zusammenstellung der Quellen durch
Herb. Braun, Zeitschr. f. Theol. u. Kirche 54 (1957) 355f. und die breite Über-
sicht von A. T. Nikolainen, Der Auferstehungsglauben in der Bibel und ihrer
Umwelt I: Religionsgeschichtlicher Teil (1944), und u. Anm. 22.
4 I. Kor. 15, 1—11. Ausgangspunkt der neueren Erforschung ist hier K. Holls
berühmter Sitzungsbericht über den „Kirchenbegriff des Paulus im Verhältnis
zu dem der Urgemeinde“, Preuß. Akad. d. Wissensch. 1921, S. 920ff. (= Ges.
Aufs. z. Kirchengesch. 2 [1928] 44ff.) und daran anschließend der von rich-
tigen und falschen Gedanken überquellende Vortrag Ad. v. Harnacks, Die
Verklärungsgeschichte Jesu, der Bericht des Paulus (I. Kor. 15, 3ff.) und die
beiden Christusvisionen des Petrus, ebd. 1922, S. 62ff. Eine vorzügliche Über-
sicht und Kritik der Diskussion bietet Grass S. 94ff.; vgl. dazu noch Ed. Schwei-
zer, Das Herrenmahl im N. T., Theol. Lit. Zeitung 79 (1954) 585 Anm. 56.
E. Stauffer, Jesus. Gestalt und Geschidite (1957) 112f. versteht I. Kor. 15, 5
und I. Kor. 15, 7 im Anschluß an LIarnack als Dubletten: Paulus habe es
„nicht gewagt, die Sonderepiphanie seines großen Widersachers einfach tot-
zuschweigen“, habe sie aber dadurch „depotenzieren“ können, „daß er am