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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0019
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Der Ablauf der Oster er eignisse und das leere Grab

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Erscheinung des Auferstandenen vor Petrus beim Fischfang am See Ge-
nezareth in Galiläa erfolgt ist.
Daß Matthäus von der ersten, grundlegenden Petrusbegegnung nichts
berichtet, erscheint auf den ersten Blick sehr auffallend, gerade weil er,
anders als Lukas, die galiläische Orientierung des Markusevangeliums
durchaus beibehält. Aber Matthäus hat die Ostergeschichte überhaupt in
einer sehr radikalen Weise vereinfacht und konzentriert. Er bringt als
Abschluß seines Evangeliums nur eine einzige große Erscheinung vor allen
Jüngern, die auf einem Berge in Galiläa vor sich geht, wohin sie Jesus
beordert hatte51. Alle anders laufenden, differenzierten Berichte über
Jüngerbegegnungen werden von dieser monumentalen Schlußszene er-
drückt und aufgesogen52, und damit ist auch die Erscheinung vor Petrus
als gesondertes Erlebnis in Fortfall gekommen; sie ist gewissermaßen in
die eine, ideale Schlußkomposition nur mithineingenommen53.
In späterer Zeit hat man auch Versuche gemacht, je nach Geschmack
oder Tendenz andere Personen an den Anfang zu stellen und sie zu Trä-
gern der ersten Auferstehungserfahrung zu machen: Jakobus oder Levi,
Maria Magdalena, Nikodemus oder auch die Mutter Jesu kommen so auf
den Platz, auf dem ursprünglich Petrus gestanden hatte54. Doch sind diese
Berichte ohne historischen Wert und daher für uns jetzt ohne Interesse.
Die Erscheinung vor den Zwölfen, d. h. genau genommen: vor den
übriggebliebenen elf Jüngern, die nach Paulus auf die Petruserscheinung
gefolgt ist, hat sich so gut wie überall in der Überlieferung gehalten55. Das
ist verständlich, wenn man die Bedeutung bedenkt, die „die Apostel“ in
diesem Sinne für die spätere Kirche gewonnen haben. Wenn die Petrus-
erscheinung und die Erscheinung vor den Fünfhundert in Galiläa gespielt
hat, so gilt dies natürlich auch für die Erscheinung vor den Zwölfen, die
zwischen beiden in der Mitte steht. Möglicherweise darf man im Blick auf
die Abendmahlstradition und die mit ihr zusammenhängenden Legenden
von der Brotvermehrung auch hier eine nähere Vermutung wagen: die
Erscheinung könnte anläßlich eines gemeinsamen Mahles der Jünger statt-
gefunden haben oder hat vielleicht in einem Mahl mit dem Auferstande-
nen gegipfelt. Die häufige Erwähnung des Essens und Trinkens in den
Ostergeschichten könnte in diese Richtung weisen, auch wenn der Sinn

51 Mt. 28, 16ff.
52 Über die Begegnung mit den zwei Frauen Mt. 28, 9f. s. u. Anm. 98.
53 Weitere Gründe, die für das Verschwinden der Petrustradition in Betracht
kommen mögen, stellt Brun S. 50ff. zusammen.
34 Vgl. W. Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apo-
kryphen (1909) 261ff.
55 Das alte Markusevangelium scheint überhaupt keine Ostererscheinungen er-
zählt zu haben; aber die Erscheinung vor den Zwölf (und wahrscheinlich auch
die vor Petrus) ist nach Mk. 16, 7 als bekannt vorauszusetzen.
2 Frhr. v. Campenhausen, Der Ablauf der Osterereignisse
 
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