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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0021
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Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab

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nun an in der Urgemeinde spielt, mit dieser Christusbegegnung innerlich
Zusammenhängen. Aber wir wissen nichts Näheres.
Für die Erscheinung vor „allen Aposteln“ fehlen uns überhaupt weitere
Quellen. Es wird sich hier um einen Berufungs- und Sendungsakt gehandelt
haben; denn die Apostel sind die frühesten Missionare der Kirche. Sie
bilden einen eigenen, nicht ganz kleinen Kreis von Personen, zu dem
jedenfalls Petrus und später auch Paulus gehört haben63. Für Jakobus ist
dies jedoch fraglich, und insoweit bleiben auch alle Versuche, zwischen
seiner Christusbegegnung und der Erscheinung des Herrn vor „allen Apo-
steln“ einen bestimmten Zusammenhang zu Enden, ungewiß. Es ist denk-
bar, daß die Erscheinung vor den Aposteln schon nach Jerusalem gehört.
Es ist aber ebenfalls möglich, daß gerade sie den Führern der jungen Ge-
meinde zum Anlaß wurde, nach Jerusalem aufzubrechen und hier, im
heiligen Zentrum Israels, den Kampf um das Volk zu beginnen, zu dem
sie berufen waren.
Die nachträgliche Berufung des Paulus steht für sich. Sie ist, wie er
selbst betont, die letzte Erscheinung gewesen, und eigentlich eine Unge-
heuerlichkeit. Wahrscheinlich hat Paulus hierbei nicht nur dies im Auge,
daß sie einem wütenden Verfolger zuteil wurde, der mit einem Mal durch
sie herumgeworfen und zum Apostel erhoben wurde, sondern er denkt
auch an das Verspätete, in jeder Hinsicht Unvermutete dieses Geschehnisses
in einer Zeit, da die Kirche bereits gegründet war und weitere Erscheinun-
gen nicht mehr zu erwarten standen. Für sein eigenes Urteil hat freilich
auch diese Erwählung einen kirchen- und heilsgeschichtlichen Sinn. Denn
Paulus verstand sich nicht als einen Apostel, der die schon begonnene Ver-
kündigung lediglich weiterführen sollte, sondern als den Apostel der
Heidenvölker schlechthin und hat mit diesem universalen Verständnis
seines Auftrags tatsächlich Epoche gemacht.
Aus den seither verstrichenen etwa zwei Jahrzehnten sind Paulus keine
weiteren Ghristuserscheinungen bekannt geworden. Allem Anschein nach
hält er die Reihe für abgeschlossen64 — enthusiastische Erlebnisse und

rusalem haften lassen. Gerade sie erscheinen aber später vorzüglich „an die
Heimatprovinz gebunden“; vgl. Lohmeyer S. 53ff.
63 H. v. Campenhausen, Der urchristliche Apostelbegriff, Stud. theol. 1 (1947)
96ff., besonders S. 105ff.
84 Das ergibt sich schon aus dem eoxatov öe jtavtoov, vielleicht auch aus dem um-
strittenen Begriff des exxpcopa; vgl. über dessen Auslegungsmöglichkeiten
J. Schneider, Kittels Theol. Wörterb. z. N. T. 2 (1935) 463. Mir scheint nach
wie vor wahrscheinlich, daß Paulus das Wort in einer speziellen und krassen
Bedeutung („unzeitige Geburt“) verwendet, die in der literarischen Über-
lieferung begreiflicherweise nicht mehr zu fassen ist. Doch scheint heute die
Neigung vorzuwalten, das Wort mit G. Björck, Coniect. Neotest. 3 (1938)
3ff., im Sinne eines ganz allgemeinen Schimpfwortes („Scheusal von Geburt
an“) zu verstehen.

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