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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0038
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Hans Frhr. von Campenhausen

und der Evangelist habe sie bloß aufgenommen und verzeichnet. Aber
was hatte er daran für ein Interesse? Man könnte die Notiz in einem anti-
doketischen Sinne verstehen; sie würde in diesem Falle ausschließen, daß
Jesus ein bloßes Geistwesen, ein „Gespenst“ gewesen sei141, das nicht wirk-
lich sterben konnte und somit auch nicht wirklich und leibhaftig auferstan-
den ist. Eine solche Deutung ist nicht unmöglich142, aber angesichts der
sonstigen Haltung des Evangeliums doch recht unwahrscheinlich143. So-
weit wir sehen können, setzt sich Markus noch nicht mit den christologi-
schen Spekulationen der „Gnostiker“ auseinander. Darum liegt es näher,
an dieser Stelle mit massiveren Einwendungen zu rechnen: Jesus war wirk-
lich tot, d. h. er wurde nicht vorzeitig, etwa als Scheintoter, vom Kreuz
heruntergeholt144, und das spätere Verschwinden seines Leibes läßt sich
von hier aus nicht erklären. Wir wissen freilich nichts davon, daß ein der-
artiger Gedanke sich schon in so früher Zeit jemals gemeldet hätte145. Aber
angesichts des schnellen Verscheidens Jesu ist es nicht ausgeschlossen, daß
er trotzdem geäußert worden ist. Wir hätten es in diesem Falle dann also
ebenfalls schon mit einer gewissen Abwehr gegenüber skeptischen, rein
„natürlichen“ Erklärungen der vermeintlichen Auferstehung Jesu zu tun,
die auf der Linie der späteren jüdischen Polemik lägen.
Aber dies mag auf sich beruhen bleiben. Viel wichtiger ist, daß auch
der letzte, schwierige Vers des Evangeliums vielleicht von hier aus be-
leuchtet und verstanden werden kann. Er ist ja die eigentliche Crux inter-
pretum, für die eine brauchbare Erklärung noch aussteht. Die Frauen haben
das leere Grab entdeckt; aber obgleich sie sich von dieser Tatsache un-
mißverständlich überzeugt haben und ein wunderbarer Jüngling sie über
den Sinn des Geschehenen aufgeklärt und dazu noch einen bestimmten
Auftrag erteilt hat, können sie, von Furcht und Schrecken befallen, mit
dieser Erkenntnis nichts anfangen und führen den himmlischen Befehl
nicht aus: sie sagen von dem Geschauten und Gehörten „niemand ein
Wort“. Diese Behauptung ist, wie wir früher betont haben, so unwahr-
scheinlich wie möglich. Aber angesichts der jüdischen Verleumdungen, wie
wir sie etwa aus dem Matthäusevangelium kennen, gewinnt eine solche

141 So das Hb. Ev. bei Ign. Smyrn. 3, 2 (Hieron. vir. ill. 16).
142 S. o. Anm. 68.
143 Sie würde erträglicher, wenn es sich hier, wie Bultmann, Tradition S. 296
meint, um einen (darum bei Matthäus und Lukas fehlenden) späteren Ein-
schub handeln sollte.
144 Finegan S. 80; M. Goguel, Les sources du recit johannique de la passion
(1910) 101f., möchte auch das Motiv der Salbung in Joh. 19, 40 entspredrend
deuten.
145 Von ferne taucht die Frage des Scheintodes bei Theodoret oder Diodor (?) auf
= Ps. Justin, Quaest. orth. 64; vgl. Bauer, Leben Jesu S. 483f. Über moderne
Scheintodhypothesen s. A. Meyer S. 116ff.; R. A. Hofmann, Das Geheimnis
der Auferstehung Jesus (1921) 65.; Goguel, Foi S. 205ff.
 
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