54 H. Hörten, Cusanus-Texte V. Brixener Dokumente • Erste Sammlung
gegossen hat. Doch dürfte es mehr als wahrscheinlich sein, daß er die Eich-
stätter Visitationsordnung zu einem früheren Zeitpunkt kennengelernt und
von ihr Anregungen empfangen hat, die er bei der Abfassung seines
Schemas verwertete.
Der Gersonsche Traktat wollte trotz seiner vielen Fragen kein Schema
zum praktischen Gebrauch bei der Visitation sein, sondern nur Hinweise
und Vorschläge für die Gestaltung der Visitation bieten, die Gerson in
Reims als bischöfliche Amtspflicht — „cardo totius reformationis“28 — ein-
dringlich betont hatte. Durch seinen Katalog wollte er deren Umfang „pro
quadem generali rememoratione“ erläutern; er stellte es dem Visitator
daher ausdrücklich frei, nach eigenem Ermessen mehr oder weniger zu
fragen. In einer solchen Darlegung hatten die Erklärungen, warum diese
oder jene Frage gestellt werden sollte, ihren Sinn. In unserem Stück kam
es offensichtlich darauf nicht an. Ebenso wie in dem Eichstätter Formular
interessiert hier nur die Frage als solche, die so wie sie war gestellt werden
konnte.
Es kann wohl keinen Zweifel geben, daß unser Autor seinen Frage-
bogen unmittelbar für die praktische Anwendung schrieb. Die Methode
seiner Fragestellung zeigt es ebenso wie die stärkere Gliederung des Frage-
katalogs durch zusätzlich eingestreute „Item“, die das Abfragen erleichterte.
Daß diese Visitationsordnung kein überall in gleicher Weise verwend-
bares Schema ist, sondern sich auf ganz bestimmte Verhältnisse bezieht,
ergibt sich aus dem Hinweis auf die Diözesanstatuten und der Erwähnung
der an die Geistlichen ausgegebenen Sakramentstraktate. Eäßt sich nun die
Diözese Brixen als die Heimat und Nikolaus von Kues als der Urheber
dieser Visitationsordnung erweisen?
Tatsächlich scheinen einige der Abweichungen unseres Autors von seiner
Vorlage die in der Diözese Brixen gegebenen Verhältnisse, insbesondere
die Statuten der Brixener Diözesansynoden zu berücksichtigen. So findet
sich die Bestimmung, daß der Prediger bei der Visitation die Gläubigen
ermahnen soll, ihren Geistlichen in allen Dingen, die das Heil der Seele
betreffen, gehorsam zu sein, auch auf der Brixener Synode von 1453. Hier
war den Geistlichen zur Pflicht gemacht worden, das Kirchenvolk anzu-
halten, „quod sint obedientes in his, que concernunt animarum salutem“.29
Der Hinweis unseres Stückes auf einschlägige Diözesanstatuten in bezug
auf die Kleidung der Geistlichen ist allerdings weniger eindeutig. Zwar
hat die Diözesansynode von 1453 ebenso wie die von 1419 und 1438 auch
darin entsprechende Anordnungen getroffen, die damit gemeint sein kön-
nen;30 aber es gibt wenige Synoden in dieser Zeit, die nicht auch auf dieses
Thema zu sprechen kämen. Ähnlich verhält es sich mit dem „tractatus
28 Sermo de officio pastorum. Opera II, 556. 29 Bickell S. 36.
30 Bickell S. 33. 2 und 8.
gegossen hat. Doch dürfte es mehr als wahrscheinlich sein, daß er die Eich-
stätter Visitationsordnung zu einem früheren Zeitpunkt kennengelernt und
von ihr Anregungen empfangen hat, die er bei der Abfassung seines
Schemas verwertete.
Der Gersonsche Traktat wollte trotz seiner vielen Fragen kein Schema
zum praktischen Gebrauch bei der Visitation sein, sondern nur Hinweise
und Vorschläge für die Gestaltung der Visitation bieten, die Gerson in
Reims als bischöfliche Amtspflicht — „cardo totius reformationis“28 — ein-
dringlich betont hatte. Durch seinen Katalog wollte er deren Umfang „pro
quadem generali rememoratione“ erläutern; er stellte es dem Visitator
daher ausdrücklich frei, nach eigenem Ermessen mehr oder weniger zu
fragen. In einer solchen Darlegung hatten die Erklärungen, warum diese
oder jene Frage gestellt werden sollte, ihren Sinn. In unserem Stück kam
es offensichtlich darauf nicht an. Ebenso wie in dem Eichstätter Formular
interessiert hier nur die Frage als solche, die so wie sie war gestellt werden
konnte.
Es kann wohl keinen Zweifel geben, daß unser Autor seinen Frage-
bogen unmittelbar für die praktische Anwendung schrieb. Die Methode
seiner Fragestellung zeigt es ebenso wie die stärkere Gliederung des Frage-
katalogs durch zusätzlich eingestreute „Item“, die das Abfragen erleichterte.
Daß diese Visitationsordnung kein überall in gleicher Weise verwend-
bares Schema ist, sondern sich auf ganz bestimmte Verhältnisse bezieht,
ergibt sich aus dem Hinweis auf die Diözesanstatuten und der Erwähnung
der an die Geistlichen ausgegebenen Sakramentstraktate. Eäßt sich nun die
Diözese Brixen als die Heimat und Nikolaus von Kues als der Urheber
dieser Visitationsordnung erweisen?
Tatsächlich scheinen einige der Abweichungen unseres Autors von seiner
Vorlage die in der Diözese Brixen gegebenen Verhältnisse, insbesondere
die Statuten der Brixener Diözesansynoden zu berücksichtigen. So findet
sich die Bestimmung, daß der Prediger bei der Visitation die Gläubigen
ermahnen soll, ihren Geistlichen in allen Dingen, die das Heil der Seele
betreffen, gehorsam zu sein, auch auf der Brixener Synode von 1453. Hier
war den Geistlichen zur Pflicht gemacht worden, das Kirchenvolk anzu-
halten, „quod sint obedientes in his, que concernunt animarum salutem“.29
Der Hinweis unseres Stückes auf einschlägige Diözesanstatuten in bezug
auf die Kleidung der Geistlichen ist allerdings weniger eindeutig. Zwar
hat die Diözesansynode von 1453 ebenso wie die von 1419 und 1438 auch
darin entsprechende Anordnungen getroffen, die damit gemeint sein kön-
nen;30 aber es gibt wenige Synoden in dieser Zeit, die nicht auch auf dieses
Thema zu sprechen kämen. Ähnlich verhält es sich mit dem „tractatus
28 Sermo de officio pastorum. Opera II, 556. 29 Bickell S. 36.
30 Bickell S. 33. 2 und 8.