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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0025
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Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie

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causae genannt, unterschieden4. So in unmißverständlicher Weise
auch hier (II A 1): quid - non modo nos sed - omnino vita hominum
sine te esse potuisset? Zunächst wird der Gegenstand also in einer
Quaestio generalis abgehandelt, die in jener auf die Leistungen der
Philosophie für die gesamte Menschheit zielenden Aretalogie A 2
gipfelt. Aber die Quaestio specialis, das utile der Philosophie für
Cicero selber in seiner einleitend charakterisierten existenziellen
Not ist es, worauf das Ganze zusteuert5. Folgerichtig wird diese
'Hypothesis’ denn auch im Schlußabsatz C aufgegriffen und ad
hominem abgehandelt, wie das persönliche Bekenntnis Ciceros von
C 2 ganz deutlich verrät. Das in die Quaestio generalis A 1 eingeblen-
dete non modo nos darf also als Vorausverweis auf die zunächst aus-
gesparte Quaestio specialis (C) gelten6. Das Schema der beiden klar
voneinander geschiedenen Quaestiones kann in Lausbergs Hand-
buch7 nachgelesen werden, wo es durch die Beigabe zahlreicher theo-
retischer Auslassungen antiker Schriftsteller, besonders Ciceros und
Quintilians, ausführlich erläutert ist. Hiervon greifen wir Ciceros
eigene Äußerung in seiner Jugendschrift De inventione heraus, die
uns zum Beweise dienen mag, daß ihm das von Griechen entwickelte
Schema von seinen Anfängen her geläufig war. So darf es nicht ver-
wundern, daß er selber es in souveräner Weise handhabt.
Cicero, De inv. I 88 Hermagoras . . . oratoris materiam in causam
et quaestionem dividit. causam esse dicit rem, quae hcibeat in se con-
troversiam in dicendo positam cum personarum certarum interposi-
tione . . . quaestionem (seil, generalem} autem eam appellat, quae
habeat in se controversiam in dicendo positam sine certarum perso-
narum interpositione*.
4 Lausberg I 62 ff. mit den Quellenbelegen.
5 „Als amplifikatorischer Hintergrund und als Argumentations-Stütze werden den
quaestiones finitae gerne quaestiones in finitae vorgeschaltet“, Lausberg I 64
(§76).
6 Das zweigeteilte Schema des Allgemeinmenschlichen und des Individuellen hat
übrigens Cicero auch außerhalb der Rhetorik angewendet; vgl. z. B. De off. I
107 die Unterscheidung der duae personae, quarum una communis est . .
altera . . . singulis est tributa. Literatur hiezu s. bei 0. Dreyer, Untersuchungen
zum Begriff des Gottgeziemenden. Diss. Göttingen i. Masch.-Schr. 1966, S. 11,
Anm. 14.
7 Lausberg I 62 ff. = § 69-78.
8 = Hermagoras fr. 6 a in der (Leipziger Teubner-) Ausgabe von D. Matthes
1962 (dort unter 6b-e die übrigen Versionen des gleichen Stoffes, bei Quin-
tilian - 2 mal -, Theon und Augustin).
9 Noch einmal kommt Cicero fast 30 Jahre später ausführlich in den Orat. parti-
 
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