4.
Est autem unus dies bene et ex praeceptis litis actus
peccanti immortalitati anteponendus.
Auf die Erhellung der merkwürdigen Sentenz kommt es den beiden
eingangs zitierten Arbeiten von O. Weinreich (1958) und Wolfgang
Schmid (1963)1 ganz vorwiegend an. Weinreich plädiert für die Ab-
hängigkeit des Satzes von Psalm 84 (83), ll2. Beide Forscher leugnen
nicht die Verwandtschaft mit dem Poseidonioszitat bei Seneca epist.
78, 283, dessen Vorlage man früher vielfach schlechtweg als Quelle
für Ciceros Spruch angesehen hat. Wolfgang Schmid aber will die
Beeinflussung Ciceros vom Alten Testament her nicht wahrhaben,
gibt jedoch zu, daß ein freies Zitat des Psalmenverses bei Philon
(Quis rerum divinarum heres 2901')4 seinerseits mit den Fassungen
der Sentenz bei Poseidonios und bei Cicero Verwandtschaft spüren
läßt3. Schmid stellt sich die Sache so vor, daß eine gemeinstoische
Sentenz gleichermaßen auf Poseidonios (K. Reinhardt denkt bei
diesem an eine Briefstelle)6, Cicero und Philon eingewirkt habe,
welch letzterer wiegesagt außerdem in neuem Ansatz (μίαν γάρ ημέ-
ραν κτλ.) den Psalmvers verwertet. Weinreich und Schmid haben,
durch eifrige Sammlung und kluge Bewertung gelehrten Materials
über die erwähnten Stellen hinaus, einen guten Grund gelegt; Schmid
hat überdies auf K. Reinhardts Spur7 mit Nachdruck gefolgert, „daß
der Hymnus als Ganzes freie Schöpfung Ciceros ist“. Wir pflichten
1 Oben S. 9, Anm. 1 u. 2.
2 Ps. 83n nach der revidierten Vulgata: vere, melior est dies unus in atriis tuis /
quam alii inille; / consistere malo in limine domus Dei mei / quam morari in
tabernaculis peccatorum.
3 Sen. epist. 78,28 nam ut Posidonius ait, unus dies hominum eruditorum plus
patet / quam imperitis longissima aetas.
4 Philon, Quis rer. div. her. 290b τό γάρ εύήμερον πολυετίας κρεϊττον, όσω καί
βραχύτερον φως σκότους α’ιωνίου. μίαν γάρ ήμέραν ύγιώς είπε τις προφητικός
άνήρ βούλεσθαι βιώναι μετ’ αρετής ή μυρία ετη εν σκιά θανάτου (Ps. 83Π),
θάνατον μέντοι των φαύλων α’ινιττόμενος βίον.
5 Siehe das nützliche Stemma bei Wfg. Schmid, a. 0. 31, das die ihm vorschwe-
bende Filiation deutlich aufzeigt.
6 K. Reinhardt, RE XXII 1954, Sp. 816.
7 Vgl. bereits K. Reinhardt, Kosmos und Sympathie, 1926, S. 160 m. Anm. 1, und
dazu Wolfg. Schmid, a. 0. 18. 31 f.
Est autem unus dies bene et ex praeceptis litis actus
peccanti immortalitati anteponendus.
Auf die Erhellung der merkwürdigen Sentenz kommt es den beiden
eingangs zitierten Arbeiten von O. Weinreich (1958) und Wolfgang
Schmid (1963)1 ganz vorwiegend an. Weinreich plädiert für die Ab-
hängigkeit des Satzes von Psalm 84 (83), ll2. Beide Forscher leugnen
nicht die Verwandtschaft mit dem Poseidonioszitat bei Seneca epist.
78, 283, dessen Vorlage man früher vielfach schlechtweg als Quelle
für Ciceros Spruch angesehen hat. Wolfgang Schmid aber will die
Beeinflussung Ciceros vom Alten Testament her nicht wahrhaben,
gibt jedoch zu, daß ein freies Zitat des Psalmenverses bei Philon
(Quis rerum divinarum heres 2901')4 seinerseits mit den Fassungen
der Sentenz bei Poseidonios und bei Cicero Verwandtschaft spüren
läßt3. Schmid stellt sich die Sache so vor, daß eine gemeinstoische
Sentenz gleichermaßen auf Poseidonios (K. Reinhardt denkt bei
diesem an eine Briefstelle)6, Cicero und Philon eingewirkt habe,
welch letzterer wiegesagt außerdem in neuem Ansatz (μίαν γάρ ημέ-
ραν κτλ.) den Psalmvers verwertet. Weinreich und Schmid haben,
durch eifrige Sammlung und kluge Bewertung gelehrten Materials
über die erwähnten Stellen hinaus, einen guten Grund gelegt; Schmid
hat überdies auf K. Reinhardts Spur7 mit Nachdruck gefolgert, „daß
der Hymnus als Ganzes freie Schöpfung Ciceros ist“. Wir pflichten
1 Oben S. 9, Anm. 1 u. 2.
2 Ps. 83n nach der revidierten Vulgata: vere, melior est dies unus in atriis tuis /
quam alii inille; / consistere malo in limine domus Dei mei / quam morari in
tabernaculis peccatorum.
3 Sen. epist. 78,28 nam ut Posidonius ait, unus dies hominum eruditorum plus
patet / quam imperitis longissima aetas.
4 Philon, Quis rer. div. her. 290b τό γάρ εύήμερον πολυετίας κρεϊττον, όσω καί
βραχύτερον φως σκότους α’ιωνίου. μίαν γάρ ήμέραν ύγιώς είπε τις προφητικός
άνήρ βούλεσθαι βιώναι μετ’ αρετής ή μυρία ετη εν σκιά θανάτου (Ps. 83Π),
θάνατον μέντοι των φαύλων α’ινιττόμενος βίον.
5 Siehe das nützliche Stemma bei Wfg. Schmid, a. 0. 31, das die ihm vorschwe-
bende Filiation deutlich aufzeigt.
6 K. Reinhardt, RE XXII 1954, Sp. 816.
7 Vgl. bereits K. Reinhardt, Kosmos und Sympathie, 1926, S. 160 m. Anm. 1, und
dazu Wolfg. Schmid, a. 0. 18. 31 f.