Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie
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ber als geleitender Göttin zugeschrieben, wobei möglicherweise die
vorhin erwähnte, für die Gebetsformulierung (II B 1) maßgebende
Theaitetosstelle vorgeschwebt hat. Im übrigen wird von dem Römer
in dem Satz aus dem Prooimion zu Nomoi V in strenger Konzentra-
tion des Gedankengangs lediglich die Reihenfolge der drei Schritte
umgedreht. So wird denn aus c) die Pilosophia zur Lebensführerin
(in deren Geleit und Gemeinschaft sich der Anruf ende begibt), aus
b) die Göttin zur Aufspürerin der αρετή (diese hier deutlich gefaßt
als das Vermögen, das πάντων άριστον zu ergreifen), schließlich aus
a) die gleiche göttliche Macht zur Austreiberin der Laster (was in der
von uns notierten Umsetzung des Bildes dem Fliehen der Seele vor
dem Schlechten genau entspricht). Also eine souveräne Umwandlung
des Aspektes im Sinne der Theaitetosstelle, indem das Vermögen der
Seele, zwischen Gut und Böse zu wählen, als Gabe der Göttin Philoso-
phia gesehen wird, und eine Umkehrung der Reihenfolge des jeweils
erzielten Gewinnes, wie sie dem Zweck der Epiklese aufs beste ent-
spricht. Unverändert bleiben außer dem dreigegliederten Grund-
gedanken auch die drei beherrschenden Kategorien des Guten, des
Bösen und des durch ihre Wertung bestimmten menschlichen Lebens.
Vollends die Jagdmetapher ιχνεΰσαι δέ καί έλεΐν τό πάντων αριστόν ~
virtutis indagatrix ist zwar, wie die Paraphrase durchwegs, gestrafft
und verkürzt, auch der veränderten grammatischen Struktur unter-
worfen, blieb aber im übrigen unangetastet erhalten.
Die Abhängigkeit Ciceros von der Vorlage ist also kaum zu ver-
kennen, sodaß wir uns jetzt mit vermehrter Zuversicht der Unter-
suchung seiner weiteren platonischen Quelle aus dem gleichen
Alterswerk zuwenden können, dem er also neben dem Prooimion
auch seine 'Gnome’ am Schluß des ganzen Hymnus verdanken würde,
wenn man unseren Gedankengängen folgen will.
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ber als geleitender Göttin zugeschrieben, wobei möglicherweise die
vorhin erwähnte, für die Gebetsformulierung (II B 1) maßgebende
Theaitetosstelle vorgeschwebt hat. Im übrigen wird von dem Römer
in dem Satz aus dem Prooimion zu Nomoi V in strenger Konzentra-
tion des Gedankengangs lediglich die Reihenfolge der drei Schritte
umgedreht. So wird denn aus c) die Pilosophia zur Lebensführerin
(in deren Geleit und Gemeinschaft sich der Anruf ende begibt), aus
b) die Göttin zur Aufspürerin der αρετή (diese hier deutlich gefaßt
als das Vermögen, das πάντων άριστον zu ergreifen), schließlich aus
a) die gleiche göttliche Macht zur Austreiberin der Laster (was in der
von uns notierten Umsetzung des Bildes dem Fliehen der Seele vor
dem Schlechten genau entspricht). Also eine souveräne Umwandlung
des Aspektes im Sinne der Theaitetosstelle, indem das Vermögen der
Seele, zwischen Gut und Böse zu wählen, als Gabe der Göttin Philoso-
phia gesehen wird, und eine Umkehrung der Reihenfolge des jeweils
erzielten Gewinnes, wie sie dem Zweck der Epiklese aufs beste ent-
spricht. Unverändert bleiben außer dem dreigegliederten Grund-
gedanken auch die drei beherrschenden Kategorien des Guten, des
Bösen und des durch ihre Wertung bestimmten menschlichen Lebens.
Vollends die Jagdmetapher ιχνεΰσαι δέ καί έλεΐν τό πάντων αριστόν ~
virtutis indagatrix ist zwar, wie die Paraphrase durchwegs, gestrafft
und verkürzt, auch der veränderten grammatischen Struktur unter-
worfen, blieb aber im übrigen unangetastet erhalten.
Die Abhängigkeit Ciceros von der Vorlage ist also kaum zu ver-
kennen, sodaß wir uns jetzt mit vermehrter Zuversicht der Unter-
suchung seiner weiteren platonischen Quelle aus dem gleichen
Alterswerk zuwenden können, dem er also neben dem Prooimion
auch seine 'Gnome’ am Schluß des ganzen Hymnus verdanken würde,
wenn man unseren Gedankengängen folgen will.