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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0055
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Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie
men dürfen, daß dieser seine peccans immortalitas aus Platon, einem
lang vor den LXX schreibenden Autor, geschöpft hat.
Mit umso größerem Nachdruck muß aber festgehalten werden,
daß die Zugehörigkeit von Psalm 84 (83), 11a) zu unserem Formel-
typus II bestehen bleibt, und zwar auch schon in der damals bereits
Jahrhunderte alten Fassung des hebräischen Textes:
„Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser
als tausend bei mir daheim“
- hier ist wirklich in voller Reinheit jeder kleinste Zug enthalten,
der die Formel vom Typus II gerade als geprägte Formel auszeich-
net. Wir vergegenwärtigen uns dazu nocheinmal das Konzentrat
dieses Typs, das wir oben12 aus seinen verschiedenen Vertretern ge-
wonnen haben:
'Besser ein Tag verbracht im Guten
als eine noch so lange Zeit verbracht im Schlechten.’
Das 'besser als’, die Gegenüberstellung von nur einem in Vorzugs-
stellung verbrachten Tag und einer langen Zeit gegensätzlichen Ver-
weilens, und all das in eine knapp gebaute Formel von höchster
Prägnanz gepreßt: wer wie 0. Weinreich und der Verfasser dieser
Abhandlung in langer Beobachtung und immer erneuter Prüfung
den Wert solcher gleichgearteten Prägungen als Kriterium der Zu-
sammengehörigkeit - weit erhaben über jeden Zufall - erkannt
hat13, der wird nicht umhin können, auch in dem hier zur Debatte
stehenden Beispiel eine Abhängigkeit ins Auge zu fassen. Daß aber
dann der Psalm an den Anfang der Reihe gehört und einfürallemal
die entscheidende Anregung gestiftet hat, daran ist bei seinem hohen
Alter kein Zweifel möglich.
Wir hätten uns also (unter Verwendung der von Wolfg. Schmid
und der in den vorangehenden Untersuchungen gemachten Beob-
achtungen) den Hergang etwa so vorzustellen: Der Stoiker, der den
Gedanken, auf sein eigenes Anliegen zugespitzt, erstmals im Bereich
der klassischen Antike in das Gewand der Formel vom Typus II ge-
kleidet hat, mag den von Heraklit (fr. 49 D.) geprägten 'Urtyp’ so-
wie den epikureischen Formeltyp I gekannt und im Blick gehabt

12 Oben S. 45.
13 Dazu grundsätzlich H. Hommel, Würzburger Jahrbücher für die Altertums¬
wissenschaft 4, 1949/50, S. 157 mit weiterer Literatur; ders., Studium Generale
13. 1960, S. 298.
 
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