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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0056
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Hildebrecht Hommel

haben. Entscheidend aber für seine Formulierung muß der Psalm-
vers in seiner ersten Hälfte (a) gewesen sein, der ihm kaum anders
als in der LXX-Übersetzung zur Verfügung gestanden haben kann.
Cicero freilich, dem das Ergebnis dieses genialen Griffs in außer-
klassisches Gut wohl am ehesten aus der Fassung seines Lehrers Po-
seidonios bekannt geworden sein mag, hat die Formel aus seiner
Platonkenntnis variiert und damit seinem eigensten Zweck dienst-
bar gemacht. Die These von Otto Weinreich von der entscheidenden
und originalen Rolle, die in diesem Prozeß dem Psalmvers zukommt,
behält also trotz der Einwände von Wolfg. Schmid in allem Wesent-
lichen ihre Gültigkeit, so sehr sie jetzt in Einzelheiten modifiziert
werden muß (besonders was die peccans immortalitas anlangt).
Fragen wir, wer jener Stoiker sein mag, dem Kenntnis und Ver-
wertung des Psalms zuzutrauen wäre, so ist der Kreis der in Betracht
Kommenden auf die wenigen beschränkt, die nach dem Ende des
3. Jhdts., der ungefähren Entstehungszeit der LXX-Übersetzung,
die Bildung und den Weitblick hatten, die jener Ausgriff voraus-
setzt. Und da unser einziges zwischen den LXX und Cicero anzu-
setzendes Zeugnis des Formeltyps II auf dessen Lehrer Poseidonios
zurückgeht, so ist es trotz der Lückenhaftigkeit unserer Überliefe-
rung doch wohl nicht zu kühn geschlossen, wenn wir in dem nach
Herkunft und Bildung14 sich empfehlenden Apameer selber den
Mann sehen möchten, der die Formel aus der biblischen Überliefe-
rung entnommen und im klassischen Bereich eingebürgert hat15. Ge-
14 Dafür hat wiederum 0. Weinreich 1958 das entscheidende Material zusammen-
gestellt.
15 Hypothetische und dann wieder verworfene Erwägungen in diesem Sinn
schon bei Wolfg. Schmid, a. 0. 30 (vgl. auch O. Weinreich 1922, 505 f. ferner
oben S. 13, Anm. 8). Ein Hauptgrund für W. Schmid (a. 0. 31), den Er-
wecker der Formel vom Typ II über Poseidonios zeitlich hinaufzurücken, ist
seine schon S. 23 betonte Tendenz, den Topos vom νεκρός βίος in engste Ver-
bindung mit diesem Formeltypus (II) zu bringen, worin ich ihm nicht folgen
kann, da gedankliche Verwandtschaft noch keineswegs für formelhaften Zusam-
menhang bürgt. So hat auch das von W. Schmid nur vermutete höhere Alter
des νεκρός βίος im Sinne von 'totes = ungelebtes Leben’ in unserem Zusam-
menhang nichts zu besagen. Der Topos und seine Verwandtschaft ist ungeheuer
weit verbreitet; ich verweise nur auf Ev. Mt. 822 = Lc. 9θ0 όίφες τούς νεκρούς
κτλ. Übrigens kann ich den von W. Schmid gesuchten Beleg höheren Alters
beibringen: Aristoteles bei Diogenes Laert. V 19, wonach sich oi ζώντες των
τεθνεώτων unterscheiden wie οί πεπαιδευμένοι των απαίδευτων, - s. dazu ZNW
57. 1966, S. 10, Anm. 36, und jetzt auch Konr. Gaiser, Antike und Abendland
13. 1967, S. 20 m. Anm. 49.
 
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