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Köhler, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 4. Abhandlung): "Conseil des barons" und "jugement des barons": epische Fatalität und Feudalrecht im altfranzösischen Rolandslied ; vorgetragen am 29. 6. 1968 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44217#0013
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Conseil des barons» und «jugement des barons.

11

Glanze seiner Siege, seiner Macht und der Eintracht seiner Vasallen
erscheint Blancandrin mit dem Unterwerfungsangebot des Heiden-
königs. Karl ruft seine Barone zum Rat. Des or(e) cumencet le cun-
seill que mal prist (v. 179) («Jetzt fängt die Ratsversammlung an, mit
der das Unheil begann» oder: «... die er (Karl) unglücklicherweise
einberief»)15. Plötzlich erleben wir die «Entzweiung» der so schön
vor Augen geführten Harmonie, die Störung des Ideals. Die Ein-
tracht war trügerisch: es zeigt sich, daß das fränkische Heer in eine
Friedenspartei und in eine Kriegspartei gespalten ist, die angesichts
der notwendigen Entscheidung über Marsilies Angebot jetzt auf-
einanderprallen16. Die Kollision der politischen Positionen führt
zum offenen Ausbruch eines Konflikts zwischen deren Wortführern,
Ganelon und Roland. Zugleich entzündet sich alter persönlicher
Haß, der nicht bloß im traditionell schlechten Verhältnis zwischen
Stiefvater und Stiefsohn, sondern ebenso im politisch-sozialen Neid
Ganelons und in der Überheblichkeit des strahlenden Kriegshelden
Roland gründet. Der schicksalhafte Charakter des Verlaufs der
Ratsszene, der zwingende Eindruck einer sich in ihm anbahnenden
unentrinnbaren Fatalität ist jedoch aus den aktuell-politischen und
den persönlichen Differenzen allein nicht zu erklären. Die Situation
des Kriegsrats ist als zur Bestimmtheit partikularisierter Weltzu-
stand diesem letzteren noch allgemeiner und konkreter zugleich ver-
haftet. Nicht zuletzt dieser komplexe Sachverhalt ist es, der die Inter-
preten der Chanson de Roland nicht zur Ruhe kommen läßt. Zitieren
wir ein paar gewichtige Stimmen.
Schicksalhaft erschien E. Faral vor allem die Ernennung Rolands
zum Führer der Nachhut: «(Charlemagne) devra s’incliner. La fa-

15 «Jetzt fängt die Ratsversammlung an, mit der das Unheil begann». So über-
setzt, inhaltlich sicherlich richtig, H. W. Klein, La Chanson de Roland, München
1963 (Klassische Texte des romanischen Mittelalters in zweisprachigen Aus-
gaben) S. 19, wohl im Anschluß an T. A. Jenkins, La Chanson de Roland. Ox-
ford Version, Boston 1924, S. 19, Anm. z. v. 179: «which made a bad be-
ginning», «which was the beginning of misfortune». S. Pellegrini, Studi
rolandiani e trobadorici, Bari 1964, S. 167f., übersetzt «ora comincia l’as-
semblea il cui parere Carlo malauguratamente richiese», und erläutert: «Mal-
auguratamente: in fatti da essa scaturirä la designazione di Gano ad am-
basciatore, e tutto il male seguente».
16 Der Dichter hat deutlich gemacht, daß diese Situation schon früher einmal
eingetreten war, als das Eingehen — ebenfalls auf Beschluß eines cunseill der
Franken - auf ein Verhandlungsangebot Marsilies Karls Gesandten Basan und
Basilie das Leben kostete. Darauf beruft sich Roland v. 201 ff.
 
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