Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kretische Löwenschale des siebten Jahrhunderts v. Ghr. 37
Ch. Karusos hat mit Recht hervorgehoben100, daß diese Verse sich
nicht nur auf die augenblickliche Situation in der Ilias beziehen,
wo Aphrodite verwundet vom Schlachtfeld vor Troja zum Olymp
kommt, sondern daß sie vielmehr zugleich in allgemeiner Weise das
Wesen der Aphrodite ausdrücken. Zwar war Aphrodite zunächst -
wohl noch im 2. Jahrtausend - als kriegerische Göttin vom Orient
übernommen worden. Ihre ältesten Kultbilder, so in Kythera, Sparta
und Akrokorinth, zeigten die Göttin bewaffnet101. Und in Theben
waren es die Polemarchen, die ihre Feste bestellten102. Ähnliches ist
für Paros bezeugt103. Aber ihr Wesen hat sich, unter dem überragen-
den Einfluß der homerischen Gedichte, gewandelt. Sie ist bei Homer
der Waffen unkundig und stets bekleidet. Auf der Akropolis von
Gortyn finden wir die beiden Naturen der orientalischen Göttin be-
reits geschieden: Auf der einen Seite der vom Orient übernommene
Kult der nackten Liebesgöttin; auf der anderen Seite wurde neben
ihr ebendort die bewaffnete Pallas Athene verehrt104, deren Wesen
im Aphrodite-Hymnus (V 8 ff.) eindringlich von dem der Liebes-
göttin abgehoben wird.
Folgerungen für die kretische Löwenschale in Heidelberg
Kehren wir nun zu unserer Löwenschale zurück. Ihre Form wurde
im Orient vorgeprägt, in Kreta nachgeahmt und dabei umgestaltet.
Duftendes Salböl, Liebesgöttin und Löwe gehörten schon im Orient
zusammen. Auch auf Kreta hatte im 7. Jahrhundert, wie wir sahen,
100 Jdl. 52 (1937) 178.
101 Korinth: Paus. II 5,1; Sparta: Paus. III 15,10f. 17,5; Kythera: Paus. III
23,1; vgl. Karusos, Jdl. 52 (1937) 178; Amorgos: IG. XII 7,57; D. Le Lasseur,
Les deesses armees (1919) 186 ff.
102 Xenophon, Hell. V 4,4; vgl. Karusos a. 0. 179.
103 Paros: IG. XII 5, 220; vgl. Karusos a. O. 179.
104 Gortyn I (1968) 249 f.; eine alte Kultverbindung zwischen Aphrodite und
Athene ist auch auf der Akropolis von Athen in dem Dienst der Arrhephoren
bezeugt: L. Deubner, Attische Feste (1932) 9ff.; W. Burkert, Kekropidensage
und Arrhephoria, Hermes 94 (1966) 1 ff. mit weiterer Lit. - Bei der nord- und
mittelarabischen Allat, die Herodot (I 131. III 8) Alilat nennt und mit Aphro-
dite Urania gleichsetzt (Haussig, Wörterbuch I 422 f.) waren die Wesenszüge
der Aphrodite und Athene vereint, die im Griechischen in zwei verschiedene
Göttinnen auseinandertraten. Vgl. Le Lasseur, a. 0. 243; F. Altheim, R. Stiehl,
Die Araber in der Alten Welt 1 (1964) 167. 363 (E. Merkel).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften