Metadaten

Henrich, Dieter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1976, 1. Abhandlung): Identität und Objektivität: eine Untersuchung über Kants transzendentale Deduktion ; vorgetragen am 9. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1976

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45458#0029
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Identität und Objektivität

19

der Differenz zweier Dimensionen ist. Vorstellungen können nicht
selbst die eigentlichen Objekte sein, sondern sie nur anzeigen. Auch
Gruppen solcher einfacher Präsentationen, mittels denen uns ein Ob-
jekt in einer bestimmten Erkenntnissituation zur Gegebenheit kommt,
sind immer noch prinzipiell von diesem Objekt selbst zu unterscheiden.
Und diese Differenz besteht unangesehen der Tatsache, daß Objekte
empirischer Erkenntnis stets nur aufgrund von sinnlichen Präsen-
tationen gegenwärtig und erkannt sein können.
Angesichts dessen, daß die sinnlichen Präsentationen — und nur
sie allein — die primären Gegebenheiten sind, ist dann aber zu fragen,
wie eine Beziehung auf Objekte überhaupt Zustandekommen kann.
Auf den Weg zu der einzig möglichen Antwort auf diese Frage wird
man gebracht, wenn man eine weitere Tatsache erwägt, die gleichfalls
in die Bedeutung unseres Begriffs vom Objekt eingeht: Es ist damit
zu rechnen, daß einfache Vorstellungen auftreten, die wir Objekten
überhaupt nicht zuordnen können und die wir deshalb «bloße» Vor-
stellungen nennen. Da auch diese Vorstellungen ganz ebenso wie die
Vorstellungen von Objekten primäre Gegebenheiten sind, können wir
zwischen ihnen und Vorstellungen von Objekten nur dann unter-
scheiden, wenn wir annehmen und dann feststellen, daß Vorstellungen,
die Objekte anzeigen, in bestimmten Verbindungen und Regulierungen
auftreten, denen «bloße» Vorstellungen nicht unterworfen sind.
Einzig kraft solcher Verbindungen können den primären Gegeben-
heiten Objekte zugeordnet und die Vorstellungen von ihnen von
bloßen Vorstellungen unterschieden werden. Und nur in Beziehung
auf regulierte Erscheinungen hat somit auch der Gedanke vom Objekt
selbst eine artikulierbare Bedeutung.
Hat sich auf diese Weise gezeigt, daß wichtige Züge des ver-
trauten Begriffs vom Objekt in der Dimension der Empfindungen
als solcher nicht erfüllt werden können, so läßt sich umgekehrt ebenso
zeigen, daß dann, wenn man überhaupt eine Unterscheidung zwischen
sinnlichen Präsentationen und Objekten zuläßt, wichtige Züge des
vertrauten Objektbegriffes herzuleiten und zu verdeutlichen sind: Sind
Objekte von Präsentationen verschieden, so sind sie nur durch die
Weise zu bestimmen, wie Präsentationen miteinander verbunden auf-
treten. Deshalb kann man sich Objekte niemals als einfache Entitäten
jenseits der Erscheinungen denken. Stets muß ihnen eine Menge ver-
schiedener Präsentationen zugeordnet werden. Objekte sind in diesem
Sinne entweder selbst Komplexe, oder jedenfalls komplex charakteri-
sierbare Einzelne. Weil zwischen ihnen und dem Gegebenen eine
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften