Metadaten

Henrich, Dieter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1976, 1. Abhandlung): Identität und Objektivität: eine Untersuchung über Kants transzendentale Deduktion ; vorgetragen am 9. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1976

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45458#0070
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
60

Dieter Henrich

Zusammensein, kein Zusammenbringen, — und zudem noch ein Zu-
sammensein nur in einem abstrakten Gegenstand.
Doch läßt sich das Verhältnis des einen Subjektes zu allen seinen
Gedanken auch nicht ohne die weitere Voraussetzung denken, daß
eine Verbindung stattfinden kann, die als ein Tun, als ein Verbinden
aufzufassen ist. Sofern nämlich irgendein Gedanke von dem Bewußt-
sein <Ich denke> begleitet wird, muß der Umstand, daß dieses Bewußt-
sein vom Subjekt entsteht, eben diesem Subjekt selbst zugerechnet
werden. Denn der Gedanke <Ich denke> tritt zwar spontan, aber nicht
grundlos ein, — er muß herbeigeführt werden. Und es darf wohl als
ausgeschlossen gelten, daß der Inhalt irgendeines Gedankens als sol-
cher den Gedanken <Ich denke> produzieren könnte. Damit es zu
diesem Gedanken kommt, muß eine Operation vollzogen werden,
welche wir Reflexion nennen. Wenn es überhaupt irgendeinen Sinn
hat, dasjenige, was im Bewußtsein <Ich denke> zum Bewußtsein
kommt, das <Subjekt> der Gedanken zu nennen, so muß man auch
dieses Subjekt für den Initiator jener Reflexion halten. Daß jeder
Gedanke mit dem Bewußtsein <Ich denke> begleitet werden kann, das
eben heißt, daß es ein Subjekt der Gedanken gibt, das in Beziehung
auf jeden Gedanken zur Reflexion imstande ist.
Damit treten alle die Gedanken, die wirklich vom <Ich denke>
begleitet werden, in eine Beziehung anderer Art. Ihnen kommt die
Eigenschaft, vom <Ich denke> begleitet zu werden, kraft einer Aktivität
zu, die vom Subjekt ausgeht. Die Klasse der Gedanken eines Sub-
jektes, das in diesen Gedanken zugleich auf sich reflektiert hat, ist von
der reflektierenden Aktivität des Subjekts hergestellt worden. Und in
Beziehung auf diese Aktivität wächst auch der zuvor charakterisierten
Klasse aller möglichen Gedanken eines und desselben Subjektes ein
neues definierendes Element zu. Denn jeder Gedanke, der vom Be-
wußtsein <Ich denke> begleitet werden kann, unterliegt gleichfalls der
Aktivität des Subjektes insofern, als es im wesentlichen von der Ak-
tivität des Subjektes und daneben nur von zufälligen Umständen
abhängt, ob er zu einem Fall eines reflektierten Gedankens wird.
In diesem Sinn ist das <Ich denke> aktivisches Prinzip aller mög-
lichen Gedanken.
Damit ist eine Formulierung erreicht, die zum ersten Male der
Formulierung von Kants weitgehender These über die allgemeine
Möglichkeit der Verbindung von Gegebenem nahekommt. Zugleich
ist aber auch offensichtlich, daß sie eine bei weitem eingeschränktere
Bedeutung hat. Denn sowohl im Falle der Klasse von Gedanken, die
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften