14
Uvo Hölscher
das einem Wesen «an sich», καθ’ αύτο, eigen ist — «ohne in der (Definition
der) Wesenheit enthalten zu sein», fügt Aristoteles hinzu.
Das Beispiel für das καθ’ αύτο (die Winkel des Dreiecks machen zwei
rechte aus) zeigt, daß der Begriff in die Analytik der Beweisführung gehört,
auf die Aristoteles auch am Ende des Kapitels 30 verweist. Dort, Anal,
post. I 4 (73 a 34), wird καθ’ αύτο als das erklärt, «was in dem Wesen ent-
halten ist», also mit dem Begriff selber gegeben ist oder zur Definition gehört.
Der wissenschaftliche Beweis hat es mit diesen Bestimmungen zu tun, «die
den Dingen an sich eigen sind», ύπαρχει παθ’ αύτα (75 a 30, 84 a 12 = Δ 30,
1025 a 31). Diese, sofern sie nicht von vornherein offenbar sind, werden
im Beweis «aufgezeigt», als τα πάθη και τα καθ’ αύτα συμβεβηκοτα (76 a 13,
75 b 1). Mit diesen selben Termini bezeichnet Aristoteles in Met. Γ 2 (1004 b
5—8) die «inhärenten» Eigenschaften des Seins als solchen (Identität und
Differenz, Gleichheit, Einheit, Vielheit etc.). Dabei wird der Ausdruck
συμβεβηκοτα von ύπαρχοντα nicht geschieden; doch durch die Einschränkung
in Δ 30 μη έν τη ούσιρι όντα nimmt er die Bedeutung an von Eigenschaften,
die mit dem Wesensbegriff selber noch nicht gegeben sind, aber aus ihm
durch den Beweis sich ergeben.
Von diesen wesensmäßigen oder notwendigen Eigenschaften (τα καθ’ αύτα
συμβεβηκοτα 75 b 1) werden, im selben Zusammenhang der Analytik, die
συμβεβηκοτα μη καθ’ αύτα unterschieden als das «Zufällige», mit welchem
der wissenschaftliche Beweis es nicht zu tun hat (75 a 18, 83 b 20, 87 b 19).
Und diese Art συμβεβηκοτα sind es, auf die — wenn mir nichts entgangen
ist — der spezielle Terminus κατα συμβεβηκος allein angewendet wird. Die
Gleichsetzung mit den συμβεβηκοτα schlechthin hat Verwirrung gestiftet.
Auf das 30. Kapitel hat schon K. v. Fritz (S. 489) zur Klärung der Frage zurück-
gegriffen und die doppelte Verwendung von συμβεβηκος, im engeren und weiteren
Sinn, erläutert. Insbesondere die Feststellung, «daß als καθ’ αύτο immer dasjenige
bezeichnet wird, was enger mit einem andern zusammenhängt» (S. 490), zielt auf
denselben kategorialen Charakter des Ausdrucks, auf den es mir ankommt. Nicht
zustimmen würde ich, nach dem Dargelegten, wenn unter der weiteren Bedeutung
von συμβεβηκοτα allen diesen «Eigenschaften» der ουσία auch die Bestimmung κατα
συμβεβηκος zugeschrieben wird: dieser Ausdruck bezeichnet allein und strikt die
zufälligen Eigenschaften — also die συμβεβηκοτα im engeren Sinn. Um es schematisch
zu unterscheiden, so ist der Gegenbegriff zu diesen zufälligen συμβεβηκοτα die
ουσία mitsamt ihren wesensmäßigen Bestimmungen; der Gegenbegriff zu den συμ-
βεβηκοτα im weiteren Sinn, d. h. zu allen Eigenschaften oder Bestimmungen, allein
die ουσία. Für diese, als das Gegenteil ihrer συμβεβηκοτα, sollte man nicht den
Begriff des καθ’ αύτο einsetzen — woraus sich dann zwei verschiedene Bedeutungen
von καθ’ αύτο, eine weitere und eine engere, komplementär jeweils zu den zwei
Bedeutungen von συμβεβηκοτα, ergeben würden (v. Fritz S. 489): das eine meinte
die «wesensmäßigen» Bestimmungen, das andere das «an sich» Seiende, die ούσια.
Es ist wahr, Aristoteles kennt auch eine solche, sozusagen platonische Verwendung
von καθ’ αύτο, Analyt. post. 4 (73 b 5). Aber auch hier meint es nicht das «an und
für sich Existierende» (sehr zu Unrecht bringt Ross, im Kommentar S. 519, den Be-
Uvo Hölscher
das einem Wesen «an sich», καθ’ αύτο, eigen ist — «ohne in der (Definition
der) Wesenheit enthalten zu sein», fügt Aristoteles hinzu.
Das Beispiel für das καθ’ αύτο (die Winkel des Dreiecks machen zwei
rechte aus) zeigt, daß der Begriff in die Analytik der Beweisführung gehört,
auf die Aristoteles auch am Ende des Kapitels 30 verweist. Dort, Anal,
post. I 4 (73 a 34), wird καθ’ αύτο als das erklärt, «was in dem Wesen ent-
halten ist», also mit dem Begriff selber gegeben ist oder zur Definition gehört.
Der wissenschaftliche Beweis hat es mit diesen Bestimmungen zu tun, «die
den Dingen an sich eigen sind», ύπαρχει παθ’ αύτα (75 a 30, 84 a 12 = Δ 30,
1025 a 31). Diese, sofern sie nicht von vornherein offenbar sind, werden
im Beweis «aufgezeigt», als τα πάθη και τα καθ’ αύτα συμβεβηκοτα (76 a 13,
75 b 1). Mit diesen selben Termini bezeichnet Aristoteles in Met. Γ 2 (1004 b
5—8) die «inhärenten» Eigenschaften des Seins als solchen (Identität und
Differenz, Gleichheit, Einheit, Vielheit etc.). Dabei wird der Ausdruck
συμβεβηκοτα von ύπαρχοντα nicht geschieden; doch durch die Einschränkung
in Δ 30 μη έν τη ούσιρι όντα nimmt er die Bedeutung an von Eigenschaften,
die mit dem Wesensbegriff selber noch nicht gegeben sind, aber aus ihm
durch den Beweis sich ergeben.
Von diesen wesensmäßigen oder notwendigen Eigenschaften (τα καθ’ αύτα
συμβεβηκοτα 75 b 1) werden, im selben Zusammenhang der Analytik, die
συμβεβηκοτα μη καθ’ αύτα unterschieden als das «Zufällige», mit welchem
der wissenschaftliche Beweis es nicht zu tun hat (75 a 18, 83 b 20, 87 b 19).
Und diese Art συμβεβηκοτα sind es, auf die — wenn mir nichts entgangen
ist — der spezielle Terminus κατα συμβεβηκος allein angewendet wird. Die
Gleichsetzung mit den συμβεβηκοτα schlechthin hat Verwirrung gestiftet.
Auf das 30. Kapitel hat schon K. v. Fritz (S. 489) zur Klärung der Frage zurück-
gegriffen und die doppelte Verwendung von συμβεβηκος, im engeren und weiteren
Sinn, erläutert. Insbesondere die Feststellung, «daß als καθ’ αύτο immer dasjenige
bezeichnet wird, was enger mit einem andern zusammenhängt» (S. 490), zielt auf
denselben kategorialen Charakter des Ausdrucks, auf den es mir ankommt. Nicht
zustimmen würde ich, nach dem Dargelegten, wenn unter der weiteren Bedeutung
von συμβεβηκοτα allen diesen «Eigenschaften» der ουσία auch die Bestimmung κατα
συμβεβηκος zugeschrieben wird: dieser Ausdruck bezeichnet allein und strikt die
zufälligen Eigenschaften — also die συμβεβηκοτα im engeren Sinn. Um es schematisch
zu unterscheiden, so ist der Gegenbegriff zu diesen zufälligen συμβεβηκοτα die
ουσία mitsamt ihren wesensmäßigen Bestimmungen; der Gegenbegriff zu den συμ-
βεβηκοτα im weiteren Sinn, d. h. zu allen Eigenschaften oder Bestimmungen, allein
die ουσία. Für diese, als das Gegenteil ihrer συμβεβηκοτα, sollte man nicht den
Begriff des καθ’ αύτο einsetzen — woraus sich dann zwei verschiedene Bedeutungen
von καθ’ αύτο, eine weitere und eine engere, komplementär jeweils zu den zwei
Bedeutungen von συμβεβηκοτα, ergeben würden (v. Fritz S. 489): das eine meinte
die «wesensmäßigen» Bestimmungen, das andere das «an sich» Seiende, die ούσια.
Es ist wahr, Aristoteles kennt auch eine solche, sozusagen platonische Verwendung
von καθ’ αύτο, Analyt. post. 4 (73 b 5). Aber auch hier meint es nicht das «an und
für sich Existierende» (sehr zu Unrecht bringt Ross, im Kommentar S. 519, den Be-