Metadaten

Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0011
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Teleologie in der aristotelischen Biologie

9

Allgemeinbegriffe gebraucht und auch später, als er ihn für substantielle
Wesenheiten zuließ, niemals auf biologische Arten eingeengt5. In der
aristotelischen Biologie hat auch das von Platon entwickelte und mit
dem Ideenbegriff zusammenhängende logische Verfahren des Definie-
rens seine fruchtbarste Anwendung gefunden, nachdem sich heraus-
gestellt hatte, daß es nicht als die philosophische Universalmethode
gelten konnte, als die Platon und sein Schulnachfolger Speusipp es wohl
zeitweise angesehen hatten6. Die konstitutiven definitorischen Merk-
male der einzelnen Arten und die auf ihnen basierenden weiteren wesent-
lichen Eigenschaften möglichst umfassend durch Observation zu erfas-
sen, ist ein wesentliches Ziel der aristotelischen biologischen Forschung.
Diese Gesamterfassung der Eigenschaften bzw. Merkmale bildet die
Grundlage dafür, daß man im Verfahren der Beweisführung (Apodeixis)
alle Merkmale in ihrem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis analy-
sieren kann7.
Während nun der überkommene Eidosbegriff bei Aristoteles dazu
dient, das Gleichbleibende im biologischen Natur geschehen zu bezeich-
nen, dient der neu entwickelte Begriff des Telos, des Ziels (bzw. Zwecks)
dazu, die Reproduktion des Gleichen als das Ergebnis eines gerichteten
genetischen Prozesses begreiflich zu machen. Infolgedessen ist sein
Anwendungsfeld die Theorie der biologischen Reproduktion, die Ari-
stoteles in allgemeiner Form vor allem in der „Physik“ entwickelt, ins-
besondere aber die empirisch fundierte Embryologie und Genetik, die
er in seiner bedeutendsten biologischen Schrift, in De generatione ani-
malium, behandelt, mit der wir uns im folgenden näher beschäftigen
wollen73.
5 Vgl. z.B. E. Kapp, The Theory of the Ideas in Plato’s Earlier Dialogues, in:
Ausgewählte Schriften, Berlin 1968, 55ff.
6 Vgl. Wissenschaft und Methode 342ff.
7 Die Historia animalium ist eine Sammlung der faktischen Merkmale der Arten,
die Schriften De partibus animalium und De incessu animalium dienen der Ent-
faltung der Begründungszusammenhänge. Vgl. Wissenschaft und Methode 154ff.
7a Wichtigste Ausgaben und Übersetzungen mit kommentierenden Anmerkungen:
H. J. Drossaart Lulofs, Aristotelis De generatione animalium, Oxford 1965;
H. Aubert u. F. Wimmer, Aristoteles’ fünf Bücher von der Zeugung und Ent-
wickelung der Thiere (= Aristoteles Werke. Griechisch und deutsch und mit
sacherklärenden Anmerkungen, Bd. 3), Leipzig 1860 (Neudruck: Aalen 1978);
Arthur Platt, Aristoteles. De generatione animalium, in: The Works of Ari-
stotle, transl. into English, vol. V, Oxford 1912; A. L. Peck, Aristotle. Genera-
tion of Animais, with an English translation, London-Cambridge (Mass.)
(U942) 21953; P. Louis, De la generation des animaux, texte etabli et traduit,
Paris 1961.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften