Die Teleologie in der aristotelischen Biologie
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Gedankens von ihm beabsichtigt ist. Zwar hat die aristotelische Aus-
drucksweise eine große Zukunft gehabt und ist bis heute gebräuchlich;
aber es besteht auch kein Zweifel, daß dabei vielfach an einen bewußten
Schöpfungsakt Gottes gedacht wurde, im Sinne der christlichen Schöp-
fungslehre, Für Aristoteles sind solche Implikationen jedoch bestimmt
auszuschließen. Die Wendung klang in seiner Zeit also viel weniger
konkret als für uns heute. Es besteht nur das Problem, ob nicht durch
diese Formulierungen unbewußt Unklarheiten bzw. Widersprüche in
die Biologie hineingetragen werden. Wir werden bei der Erörterung des
Techne-Modells Gelegenheit haben, der Frage weiter nachzugehen.
Es muß nun eine Stelle erwähnt werden, die auf den ersten Blick der
Annahme einer Beschränkung der Finalität auf die interne Finalität
zu widersprechen scheint. In Pol. A 8, offensichtlich einem recht frühen
Kapitel der „Politik“, greift Aristoteles den vorsokratischen populären
Gedanken auf, daß die Pflanzen um der Tiere willen und diese um der
Menschen willen geschaffen sein könnten (vgl. 1256 b 15ff,). Es geht
ihm um das praktische Problem, daß der Erwerb des Lebensunterhalts
Ziel der Haushaltskunst, der Ökonomik ist, und daß die Jagdkunst
natürlicherweise ein Teil der Erwerbskunst ist und als solche von der
Natur berücksichtigt wurde, indem die wilden Tiere dem Menschen
Nahrung, Kleidung und Werkzeuge liefern können. Es kann kein Zwei-
fel sein, daß sich diese Feststellungen, wenn man sie buchstäblich nimmt,
mit den Auffassungen der biologischen Schriften nur schwer verein-
baren lassen. Man kann mit Recht dazu feststellen, daß es sich in der
„Politik“ nicht um eine Frage der theoretischen Wissenschaft handelt,
sondern um eine Frage der praktischen Philosophie, in der sich Aristo-
teles mit 'dialektischen’, das heißt allgemeinen, aus der communis opinio
geschöpften Argumenten begnügen kann. Ohne Zweifel macht es das
Verbot der Überschreitung der Wissenschaftsgrenzen (peraßacyu; eig
aXXo yevog) unmöglich, den isolierten Gedanken der Politik zur Inter-
pretation der naturwissenschaftlichen Aussagen heranzuziehen. Gleich-
wohl stellt sich die Frage, ob nicht im Denken des Aristoteles doch der
Gedanke einer durchgreifenden Finalität, zumindest im Bereich des
Lebendigen, eine größere Rolle spielt. Es gibt jedoch in der „Physik“ eine
Parallele, die dagegen spricht. In Phys. B 2.194 a 33ff. äußert sich Ari-
stoteles offensichtlich konkreter und präziser zum Problem der Nut-
zung des Materials durch die Künste (und darunter läßt sich auch das
Problem von Pol. A 8 subsumieren; denn dort handelt es sich um die
Jagdkunst bzw. Erwerbskunst): „Auch die Künste stellen den Stoff her,
die einen schlechthin, die anderen, indem sie ihn zur Bearbeitung auf-
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Gedankens von ihm beabsichtigt ist. Zwar hat die aristotelische Aus-
drucksweise eine große Zukunft gehabt und ist bis heute gebräuchlich;
aber es besteht auch kein Zweifel, daß dabei vielfach an einen bewußten
Schöpfungsakt Gottes gedacht wurde, im Sinne der christlichen Schöp-
fungslehre, Für Aristoteles sind solche Implikationen jedoch bestimmt
auszuschließen. Die Wendung klang in seiner Zeit also viel weniger
konkret als für uns heute. Es besteht nur das Problem, ob nicht durch
diese Formulierungen unbewußt Unklarheiten bzw. Widersprüche in
die Biologie hineingetragen werden. Wir werden bei der Erörterung des
Techne-Modells Gelegenheit haben, der Frage weiter nachzugehen.
Es muß nun eine Stelle erwähnt werden, die auf den ersten Blick der
Annahme einer Beschränkung der Finalität auf die interne Finalität
zu widersprechen scheint. In Pol. A 8, offensichtlich einem recht frühen
Kapitel der „Politik“, greift Aristoteles den vorsokratischen populären
Gedanken auf, daß die Pflanzen um der Tiere willen und diese um der
Menschen willen geschaffen sein könnten (vgl. 1256 b 15ff,). Es geht
ihm um das praktische Problem, daß der Erwerb des Lebensunterhalts
Ziel der Haushaltskunst, der Ökonomik ist, und daß die Jagdkunst
natürlicherweise ein Teil der Erwerbskunst ist und als solche von der
Natur berücksichtigt wurde, indem die wilden Tiere dem Menschen
Nahrung, Kleidung und Werkzeuge liefern können. Es kann kein Zwei-
fel sein, daß sich diese Feststellungen, wenn man sie buchstäblich nimmt,
mit den Auffassungen der biologischen Schriften nur schwer verein-
baren lassen. Man kann mit Recht dazu feststellen, daß es sich in der
„Politik“ nicht um eine Frage der theoretischen Wissenschaft handelt,
sondern um eine Frage der praktischen Philosophie, in der sich Aristo-
teles mit 'dialektischen’, das heißt allgemeinen, aus der communis opinio
geschöpften Argumenten begnügen kann. Ohne Zweifel macht es das
Verbot der Überschreitung der Wissenschaftsgrenzen (peraßacyu; eig
aXXo yevog) unmöglich, den isolierten Gedanken der Politik zur Inter-
pretation der naturwissenschaftlichen Aussagen heranzuziehen. Gleich-
wohl stellt sich die Frage, ob nicht im Denken des Aristoteles doch der
Gedanke einer durchgreifenden Finalität, zumindest im Bereich des
Lebendigen, eine größere Rolle spielt. Es gibt jedoch in der „Physik“ eine
Parallele, die dagegen spricht. In Phys. B 2.194 a 33ff. äußert sich Ari-
stoteles offensichtlich konkreter und präziser zum Problem der Nut-
zung des Materials durch die Künste (und darunter läßt sich auch das
Problem von Pol. A 8 subsumieren; denn dort handelt es sich um die
Jagdkunst bzw. Erwerbskunst): „Auch die Künste stellen den Stoff her,
die einen schlechthin, die anderen, indem sie ihn zur Bearbeitung auf-