Das Fondi-Grabmal in S. Agostino zu Siena
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Die Obelisken des Fondi-Grabmals kommen, wenn man ihre Sockel
tatsächlich von der Basis der Ädikula isoliert denkt, im Prinzip der bei
Bocchi wiedergegebenen Anordnung nahe, sind aber auf Grund ihrer
schlüssigen formalen Eingliederung in die Gesamtanlage nicht etwa als
Paar flankierender Einzelmonumente interpretierbar. Die Wendung
der bekrönenden Famaallegorien zur Mitte hin betont die Ensemble-
bindung. Diese Allegorien haben ikonographisch eine ähnliche Funk-
tion wie die ruhmverkündende Gestalt des Michelangelo-Trauerge-
rüstes; ihre Ausrichtung zum Gekreuzigten hin macht beim Fondi-
Grabmal allerdings offenbar, daß sich auf Erden erworbener Ruhm nur
in einer christlich verstandenen Überzeitlichkeit zu erfüllen vermag.
Die Fondi-Obelisken tragen keine Urnen. Wenn man bereit ist, den
Deckelaufsatz des mächtigen Sarkophags als Urne und die darauf
stehende Vase nicht als bloßes Dekorationsstück aufzufassen, läßt sich
- ich unterstreiche es: mit aller gebotenen Vorsicht! - ein in sich stim-
miger Concetto konstruieren (oder rekonstruieren)71. Der Sarkophag
würde demnach symbolisch den Leichnam des Kommemorierten
umschließen, die Urne - in Anspielung auf die antike Bestattungsform
- die Asche; der Vase käme die Aufgabe zu, gleichsam die ätherischste
Stufe der symbolischen Präsenz des Toten zu suggerieren. In Anbe-
tracht der geringen Größe des Gefäßes darf man nicht, wie ich anfäng-
lich vermutete, die Vorstellung „Corpus quasi vas“ bemühen. Ich
danke Frau Dr. Ute Davitt Asmus für den Hinweis, daß man eher an
ein Salb- oder Duftgefäß zu denken und einen anderen Bedeutungs-
71 Die Deutung des Sarkophagaufsatzes als Umq- vermag ich nicht schlüssig zu
belegen. Zwar findet sich auf den Sarkophagdeckeln von Cinquecento-Grab-
mälem in seltenen Fällen ein formal vergleichbarer Aufsatz (etwa bei Montorsolis
Grabmal des Andrea Doria in S. Matteo zu Genua, abgebildet in: A. Venturi,
Storia dell’Arte Italiana, X/2, Mailand 1936, Abb. 97), doch bleibt die Funk-
tion jeweils unklar. - Den Gedanken, daß Urnen gemeint sein könnten, legt
indirekt die ikonographische Struktur des Michelangelo-Katafalks nahe: Im
Trauergerüst war der Verstorbene einmal in Form von Portraitdarstellungen
gegenwärtig, zum anderen als imaginäre Asche in derKugelume auf der Spitze des
Obelisken; darüber hinaus verbildlichte ein zur Ad-hoc-Ausstattung von
S. Lorenzo gehörendes Gemälde Buontalentis, wie Michelangelos Seele zum
Himmel emporsteigt, während Flußgötter dieser Erde um den Künstler trauern.
Die postmortale Erscheinung vollzog sich mithin auf drei verschiedenen Stufen,
wobei die suggerierte Anwesenheit der Asche unmittelbar auf die römisch-
antike Tradition Bezug nahm. - Mein Vorschlag einer Interpretation des
Fondi-Grabmals geht von der Übertragung dieses ikonographischen Grund-
musters auf die eigentümlichen formalen Bedingungen des Freskos in S.
Agostino aus.
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Die Obelisken des Fondi-Grabmals kommen, wenn man ihre Sockel
tatsächlich von der Basis der Ädikula isoliert denkt, im Prinzip der bei
Bocchi wiedergegebenen Anordnung nahe, sind aber auf Grund ihrer
schlüssigen formalen Eingliederung in die Gesamtanlage nicht etwa als
Paar flankierender Einzelmonumente interpretierbar. Die Wendung
der bekrönenden Famaallegorien zur Mitte hin betont die Ensemble-
bindung. Diese Allegorien haben ikonographisch eine ähnliche Funk-
tion wie die ruhmverkündende Gestalt des Michelangelo-Trauerge-
rüstes; ihre Ausrichtung zum Gekreuzigten hin macht beim Fondi-
Grabmal allerdings offenbar, daß sich auf Erden erworbener Ruhm nur
in einer christlich verstandenen Überzeitlichkeit zu erfüllen vermag.
Die Fondi-Obelisken tragen keine Urnen. Wenn man bereit ist, den
Deckelaufsatz des mächtigen Sarkophags als Urne und die darauf
stehende Vase nicht als bloßes Dekorationsstück aufzufassen, läßt sich
- ich unterstreiche es: mit aller gebotenen Vorsicht! - ein in sich stim-
miger Concetto konstruieren (oder rekonstruieren)71. Der Sarkophag
würde demnach symbolisch den Leichnam des Kommemorierten
umschließen, die Urne - in Anspielung auf die antike Bestattungsform
- die Asche; der Vase käme die Aufgabe zu, gleichsam die ätherischste
Stufe der symbolischen Präsenz des Toten zu suggerieren. In Anbe-
tracht der geringen Größe des Gefäßes darf man nicht, wie ich anfäng-
lich vermutete, die Vorstellung „Corpus quasi vas“ bemühen. Ich
danke Frau Dr. Ute Davitt Asmus für den Hinweis, daß man eher an
ein Salb- oder Duftgefäß zu denken und einen anderen Bedeutungs-
71 Die Deutung des Sarkophagaufsatzes als Umq- vermag ich nicht schlüssig zu
belegen. Zwar findet sich auf den Sarkophagdeckeln von Cinquecento-Grab-
mälem in seltenen Fällen ein formal vergleichbarer Aufsatz (etwa bei Montorsolis
Grabmal des Andrea Doria in S. Matteo zu Genua, abgebildet in: A. Venturi,
Storia dell’Arte Italiana, X/2, Mailand 1936, Abb. 97), doch bleibt die Funk-
tion jeweils unklar. - Den Gedanken, daß Urnen gemeint sein könnten, legt
indirekt die ikonographische Struktur des Michelangelo-Katafalks nahe: Im
Trauergerüst war der Verstorbene einmal in Form von Portraitdarstellungen
gegenwärtig, zum anderen als imaginäre Asche in derKugelume auf der Spitze des
Obelisken; darüber hinaus verbildlichte ein zur Ad-hoc-Ausstattung von
S. Lorenzo gehörendes Gemälde Buontalentis, wie Michelangelos Seele zum
Himmel emporsteigt, während Flußgötter dieser Erde um den Künstler trauern.
Die postmortale Erscheinung vollzog sich mithin auf drei verschiedenen Stufen,
wobei die suggerierte Anwesenheit der Asche unmittelbar auf die römisch-
antike Tradition Bezug nahm. - Mein Vorschlag einer Interpretation des
Fondi-Grabmals geht von der Übertragung dieses ikonographischen Grund-
musters auf die eigentümlichen formalen Bedingungen des Freskos in S.
Agostino aus.